Das nächtliche Gewitter hat nicht ausgeputzt. Gewölk richtet sich aber nicht nur über Alpbach dauerhaft ein. So ragen am Konjunkturhimmel die Vorboten einer dunklen Rezessionswolke aus Deutschland herein, wo im zweiten Quartal 2019 die Wirtschaftsleistung bei minus 0,1 Prozent lag – und nun eine Rezession drohen könnte. Die Nationalbank senkt jedenfalls in ihrer traditionell in Alpbach vorgelegten Prognose Österreichs Wirtschaftswachstum für das 3. Quartal 2019 um die Hälfte von 0,4 auf 0,2 Prozent. Auf seiner Abschiedstour als Gouverneur der Nationalbank sprach Ewald Nowotny Donnerstagabend von einer „moderaten Konjunkturabschwächung im internationalen Sog“ geopolitischer Spannungen. Im Detail räumte er dazu ein: „Die Industrie befindet sich in einer leichten Rezession. Export- und Investitionsdynamik schwächen sich ab.“
Hingegen würden privater Konsum und Wohnbau als tragende Säulen noch für Wachstum sorgen. Für das vierte Quartal 2019 sagt die Nationalbank 0,3 Prozent Wachstum voraus, gegenüber 0,5 Prozent ein Jahr vorher. Für das Gesamtjahr 2019 bleibt man bei prognostizierten 1,5 Prozent (gegenüber 2,7 im Jahr 2018), da die „historischen“ Wachstumszahlen für das erste Quartal nach oben revidiert wurden. Die EU-Kommission sah zuletzt die 1,5 Prozent Wachstum in Österreich auch noch für 2020. Die Nationalbank sieht generell die globalen Konjunkturaussichten ungewiss.
„Schwarze Materie USA“
In Alpbach sind die Wirtschaftsgespräche nahtlos mit einer Mischung aus Sorge und Zweckoptimismus in die Finanzmarktgespräche übergegangen. „Nach Industrie und dem produzierenden Gewerbe wird es die Banken mittreffen“, sagt Roland Smertnig, Global Board Member bei Accenture, der eine Rezession in Österreich in vier Quartalen mit zumindest einer „roten Null“ erwartet. CEO der UniCredit Bank Austria Robert Zadrazil sieht eine Rezession in Österreich „heuer nicht. Unser Vorteil ist der nach wie vor gute Konsum. Aber der Abhängigkeit von Deutschland können wir uns nicht entziehen.“
Die Bankleute blicken besorgt auf anhaltende Negativzinsen, die aufgeblasene Bilanzsumme der EZB, ohne dass die Inflation im Euroraum die gewünschte Höhe erreicht, während zwei Drittel der Staatsanleihen im Euroraum negative Rendite haben. Dass globales Zusammenwirken in der Finanzpolitik notwendig sei, um einem Finanzgewitter vorzubeugen, darauf wies der ehemalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet hin. Tenor der Bankwelt: Die „schwarze Materie“ seien die US-Wirtschaft und Donald Trump, mit Unwägbarkeit bis zu den US-Wahlen im November 2020. Und darüber hinaus? Zwar geht Michael Werz vom Center of American Progress davon aus, „dass Trump nicht wiedergewählt wird. Er wird den Abschwung in den USA zu spüren bekommen. Auch sind mehr Junge und Frauen als Wähler für die Demokraten mobilisiert. Ich kann mich allerdings“, relativiert Werz, „so irren wie bei der letzten Wahl“.
"Auf ruppige Jahre einstellen"
„Nach dem langen Wirtschaftsaufschwung ist eine Abkühlung zu erwarten, ein halbes Jahr bis ein Jahr verzögert nach Deutschland“ so Geschäftsführer von Contrast Ernst & Young Martin Unger. Wegen der Konflikte zwischen den USA, China und Europa sowie auch mit Russland müsse man sich aber „auf ruppige Jahre einstellen“. „Das heißt nicht, dass das Wachstum völlig einbricht in Österreich“, verweist IHS-Chef Martin Kocher wie Nowotny auf die Stütze Konsum. Deutschland könnte mit Steuerüberschüssen gegensteuern, „aber seine Politik ist derzeit nicht handlungsfähig“. Friedrich Merz, in Lauerposition für die Kanzlerfrage, hieß in Alpbach voll Hoffnung willkommen.
Adolf Winkler