Seit 2008 kannte der Dollar-Leitzins, festgelegt von der US-Notenbank, nur eine Richtung: nach oben. In neun Etappen hob die Fed den Zinssatz, der als Pulsschlag der Finanzökonomie gilt, von 0,25 im verheerenden Krisenjahr auf 2,25 bis 2,5 Prozent an. Nun dürfte die Kehrtwende vollzogen werden.
Die Zinssitzung der Fed, die auf Vollbeschäftigung und stabile Preise achtet, wird zum Seismografen für die Tektonik der Weltwirtschaft. Notenbank-Chef Jerome Powell wird vermutlich eine Zinssenkung um 25 Basispunkte, das sind 0,25 Prozent, verkünden – und damit US-Präsident Donald Trump in die Hände spielen. Der poltert in berüchtigter Manier gegen das zögerliche Vorgehen – man könnte es auch überlegt nennen – der Fed. Es wäre ein erster Schritt, um der US-Ökonomie frischen Auftrieb zu verleihen – nach einer historisch einmaligen Phase von zehn Wachstumsjahren in Folge. Eine nicht unumstrittene Zäsur: „Es gäbe auch Argumente, nichts zu tun“, sagt Peter Brezinschek, Chefanalyst bei Raiffeisen International.
Noch schnurrt der Wirtschaftsmotor
Jüngste Wirtschaftsdaten, Inflationsrate und Arbeitsmarkt machten eine Zinssenkung keineswegs zwingend nötig, der Wirtschaftsmotor schnurrt – noch. Allerdings nehmen die Unsicherheiten zu. Die globale Schwäche der Industrie, angefacht von Handelskonflikten, dämpft die Konjunktur. Die Aussichten sind trüb: Stefan Bruckbauer, Chefanalyst der UniCredit Bank Austria, erwartet 2020 gar eine Rezession in den USA. „Kein Grund für Alarmismus, aber die Zinssenkung ist gerechtfertigt.“ Selbst aus dem Konsum, der den Wirtschaftsmotor befeuerte, sei nun die Luft draußen, sagt Bruckbauer. Eine heute beschlossene Zinssenkung wäre wohl nur der Beginn: Das Zinskarussell könnte sich noch auf bis zu 1,25 Prozent weiterdrehen, auch um die niedrige Inflation zu befördern.
Nullzinszone Europa schielt über den Atlantik
Der Nullzinszone Europa würde ein sinkender Leitzins in den USA guttun, sagt Bruckbauer. „Jede Maßnahme, die hilft, die US-Wirtschaft in Gang zu halten, ist positiv.“ Schließlich seien die USA trotz Trumps Protektionismus weltgrößter Importeur und wichtigster Handelspartner der EU. Brezinschek rechnet mit weiteren, moderaten, Anpassungen – allein aus Gründen der Prophylaxe: „Möglich, dass die Fed den Markt, der mit aggressiven Senkungen rechnet, enttäuscht.“ Sollte heute aber, wider Erwarten, die Zinsschraube nicht gelockert werden, könnte dies ein Beben an den Börsen auslösen. Denn die im Höhenflug befindlichen US-Aktien hätten niedrigere Zinsen bereits eingepreist: „Dann rasseln die Kurse kräftig nach unten."