Vor lauter Bäumen den dramatischen Klimawandel im Wald nicht zu sehen, kann Spaziergängern zumindest in alpinen Regionen leicht passieren. Woanders tritt der stille Notstand längst offener zutage. „Das Waldviertel ist unser Schaufenster in den Klimawandel“, so Bundesforste-Vorstand Rudolf Freidhager. Die kleine Gemeinde Droß, wenige Kilometer nördlich von Krems, ist nicht nur mitten im Borkenkäfer-Großkampfgebiet zwischen österreichischer und tschechischer Grenze. Hier hat auch der „Wald der Zukunft“, der dem Klimawandel standhalten soll, schon Wurzeln geschlagen.
Dem aggressiven Feind Borkenkäfer gilt die größte Aufmerksamkeit. Mit Drohnen, Hunden und Suchtrupps werden permanent Zehntausende Hektar, Quadratmeter um Quadratmeter, durchkämmt. Rund 200 Borkenkäfer töten eine Fichte oder Kiefer. Das geht schnell. Denn tatsächlich bohren oft noch viel mehr Käfer unter der Rinde – der Baum vertrocknet.
Wärme ist der "Borkenkäfer-Turbo"
Befallene Exemplare werden binnen Tagen aus dem Wald geholt. Wo das nicht geht, wird die Rinde abgeschreddert. Dass künftig viele Biomasse-Anlagen zusperren könnten, ist für den ÖBF-Forstbetriebsleiter (Waldviertel-Voralpen) Bernhard Funcke ein „Super-GAU“. „Wo sollen wir dann hin mit dem Zeug?“ Wärme ist der Käfer-Turbo. „Früher musste man nur eine Borkenkäfer-Welle im Frühjahr richtig erwischen. Jetzt geht es laufend durch, wir haben Dauerwellen“, so Funcke. „Wir haben hier seit August 2016 viel, viel zu wenig Regen. Selbst ein so nasser Mai wie heuer hilft überhaupt nicht mehr.“ Das Feinwurzelsystem der Fichten sei bereits massiv geschädigt, viele Bäume seien verloren. Die noch nicht völlig geschwächten Bäume bräuchten mindestens zwei Jahre zur Wurzelreparatur.
Die Fichte als liebster Baum der Industrie ist unter 600 bis 700 Meter Seehöhe ein absterbender Ast der Waldwirtschaft. Das für Jahrzehnte lukrative Geschäftsmodell der Fichtenkultur – laut Funcke lange eine Goldgrube – ist hier am Ende.
Schadholzmarkt in Mitteleuropa quillt über
„Wir müssen inzwischen jedem Baum nachlaufen mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen“, so ÖBF-Finanzchef Georg Schöppl. Erlöseinbußen und Mehraufwand hatten schon 2018 mit 23,6 Millionen Euro für den bisher höchsten Klimaschaden bei den Bundesforsten gesorgt. Heuer rechnet er mit einem Hinaufschnellen auf mehr als 35 Millionen Euro. Österreich scheint noch Glück im Unglück zu haben. In Deutschland sterben durch die lange Dürre gerade riesige Buchenwaldgebiete in vielen Regionen. Freidhager berichtet, seine deutschen Kollegen gingen bei vielen Flächen schon davon aus, dass sie nicht mehr aufforstbar seien. Immer öfter blieben kaputte Bäume stehen. Der Schadholzmarkt in Mitteleuropa quillt mit rund 70 Millionen Festmetern über. Der „Wald der Zukunft“ ist das Rettungskonzept der ÖBF gegen die Wald-Apokalypse. So wie das Unternehmen über neue Geschäftsfelder erfolgreich diversifiziert wurde, ist auch dieser Vorbildwald zu anschaulicher Größe herangewachsen.
In Droß gedeihen durch natürliche Verbreitung nun viel mehr hitzeresistentere Lärchen, Eichen, Buchen und Weißtannen.
In der Hochsteiermark und Unterkärnten werden es neben Tannen und Lärchen auch mehr Buchen sein, in Oberkärnten ebenfalls mehr Lärchen. Auf Basis von 166.000 Waldorten in ganz Österreich haben die ÖBF als größter Waldbesitzer der Republik inzwischen einen detaillierten Plan und den lokalspezifischen Klimaumbau des Waldes auch schon begonnen.
Claudia Haase