Vier Gesellschaften haben bis zur am Sonntagabend ablaufenden Frist ein Angebot für die neue Alitalia eingereicht, die unter der Regie der Regierung in Rom entstehen soll. Dies berichtete der italienische Vizepremier und Industrieminister Luigi Di Maio auf Facebook.
Angebote wurden eingereicht von Atlantia, der Infrastrukturholding der italienischen Unternehmerfamilie Benetton, sowie von der italienischen Baugesellschaft Toto und dem kolumbianisch-brasilianischen Multimillionär German Efromovich, dem Mehrheitsaktionär von Kolumbiens Airline Avianca. Auch der römische Unternehmer Claudio Lotito, Eigentümer des Fußball-Erstligisten Lazio Rom, reichte ein Angebot ein, berichtete Di Maio.
Entscheidung am Montag
Die italienische Regierung will bis zum Montagabend ihre Entscheidung über die Zukunft der insolventen Alitalia mitteilen. Wie Di Maio bestätigte, sollen die staatliche Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (FS) sowie das Wirtschaftsministerium einen Anteil an der neuen Alitalia halten. Als industrieller Partner wird die US-Airline Delta einsteigen.
"Bis morgen (Montag, Anm.) müssen wir zwischen den eingetroffenen Angeboten wählen und einen Dialog mit den Alitalia-Mitarbeitern starten, um zu einem Abkommen mit den Gewerkschaften zu gelangen. Ich hoffe, ich werde der letzte Minister sein, der sich um die Alitalia kümmern muss", kommentierte Di Maio, der seit Monaten die Zukunft der Alitalia verhandelt.
Die frühere staatliche Airline Alitalia hatte bereits Anfang Mai 2017 Insolvenz angemeldet. Seitdem kann sie nur dank Staatskrediten von mittlerweile 900 Mio. Euro ihren Flugbetrieb aufrechterhalten. Diese Staatshilfe war zunächst nur als vorübergehender Rettungsanker gedacht, doch Italiens Regierung musste die Kreditlinie immer wieder verlängern.
Chronologie einer Krise
Hier die Etappen der endlosen Alitalia-Krise, die Italiens Staatskassen bereits Milliarden gekostet hat.
- 1996: Nach einem halben Jahrhundert unter staatlicher Kontrolle beschließt die Regierung von Romano Prodi die Börsennotierung eines 37-prozentigen Alitalia-Anteils. Zugleich sucht die Airline einen industriellen Partner. Gespräche werden mit der niederländischen KLM aufgenommen, die jedoch zu keinen Ergebnissen führen.
- 2001: Nach den Anschlägen vom 11. September geraten alle Fluggesellschaften unter Druck. Air France steigt mit einer zweiprozentigen Beteiligung bei Alitalia ein.
- 2006: Die Regierung Prodi unternimmt eine zweite Privatisierung mit dem Verkauf eines 39-prozentigen Anteils. Damit soll der Staat auf die Kontrolle der Airline verzichten. Die Interessenten ziehen sich schrittweise zurück, nachdem sie Einblick in Alitalias Bilanz bekommen.
- 2007-2008: Ende 2007 startet die italienische Regierung Verhandlungen mit Air France, die inzwischen die Fusion mit KLM besiegelt hat und an der Übernahme eines 49,9-prozentigen Anteils an der Alitalia interessiert ist. Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Kürzungen, die Air France/KLM als Bedingung für die Übernahme stellt. Air France zieht sich daraufhin von den Verhandlungen zurück.
- 2008: Das Management der Alitalia meldet den Konkurs an. Die Alitalia-Aktie wird von der Börse gestrichen, mit schweren Verlusten für viele Anleger. Inzwischen bildet sich das italienische Konsortium CAI, an dem sich eine Gruppe italienischer Investoren beteiligt. Der gesunde Teil der Airline wird für 300 Mio. Euro übernommen, der verschuldete, restliche Anteil der Airline über eine Bad Bank vom italienischen Staat, was Italiens öffentliche Kassen circa zwei Milliarden Euro kostet.
- 2009: Alitalia kürzt 8.000 Jobs, die Managergehälter werden um 20 Prozent reduziert. Air France steigert ihren Anteil auf 25 Prozent, doch die Airline kommt wegen der zunehmenden Konkurrenz von Billigfliegern nicht in Schwung. Auch der Erfolg der Hochgeschwindigkeitszüge auf der für Alitalia einst stark rentablen Strecke Rom-Mailand verursacht der Fluggesellschaft schwere Einnahmerückgänge.
- 2013: Alitalia braucht eine Kapitalerhöhung, um weiterfliegen zu können. Die italienische Post steigt in die Fluggesellschaft ein, Air France reduziert dagegen ihre Beteiligung. Als Retter in der Not taucht die arabische Airline Etihad auf, die Mitte 2014 eine 49-prozentige Beteiligung an der Alitalia übernimmt. Der Entwicklungsplan der Araber sieht die Erreichung der Gewinnschwelle im Jahr 2017 vor.
- 2016: Alitalia häuft weiterhin Verluste an. CEO Silvano Cassano tritt zurück und wird durch den Australier Cramer Ball ersetzt. Doch auch der erste ausländische CEO in der Geschichte Alitalias bringt die Airline nicht auf Kurs. Ende 2016 meldet die Alitalia Verluste von 460 Mio. Euro.
- 2017: Das Alitalia-Management einigt sich mit den Gewerkschaften auf einen Rettungsplan, der die Streichung von circa tausend Jobs und beträchtliche Gehaltskürzungen vorsieht. Die Belegschaft trotzt den Gewerkschaften und stimmt gegen den Plan. Die Airline wird unter Insolvenzverwaltung gestellt. Drei von der Regierung ernannte Kommissare übernehmen das Steuer der Airline und starten die Suche nach einem Käufer. Die Regierung gewährt der Alitalia einen Brückenkredit von 900 Mio. Euro zum Erhalt des Flugbetriebs.
- 2018: Die Alitalia verringert unter Aufsicht der Regierungskommissare ihre Verluste. Die seit Juni 2018 amtierende Regierung Conte schreibt sich die Rettung der Airline auf die Fahne und startet mit der neuen Suche nach Käufern. Verhandlungen mit EasyJet und Lufthansa führen zu keinen Resultaten. Die italienischen Staatsbahnen FS reichen ein verbindliches Angebot für die Alitalia ein. Das Datum für den Verkauf der Airline wird immer wieder verschoben.
- 2019: Nach einigen Streiks des Alitalia-Personals wegen der ungewissen Perspektiven der Airline bahnt sich eine Teilverstaatlichung der Alitalia an. Die staatliche Eisenbahngesellschaft FS und das Wirtschaftsministerium wollen Medienberichten zufolge zusammen 35 Prozent an der neuen Alitalia übernehmen. Als industrieller Partner steigt die US-Airline Delta ein. Vier weitere Interessenten meldeten sich zuletzt: Dabei handelt es sich um Kolumbiens Fluggesellschaft Aviancan, die Infrastrukturholding Atlantia, den römischen Unternehmer Claudio Lotito, Eigentümer des Fußball-Erstligisten Lazio Rom, und die italienische Baugesellschaft Toto.