Der deutsche Industriekonzern einigte sich am Mittwoch mit dem Berliner Senat auf das Prestigeprojekt, wie Vorstandschef Joe Kaeser und der Regierende Berliner Bürgermeister Michael Müller (SPD) ankündigten. Siemens will das Gelände der historischen "Siemensstadt" in Berlin für bis zu 600 Millionen Euro zu einem Technologiepark als Experimentierfeld für Arbeiten, Leben und Wohnen umbauen.
Das von Backsteinbauten geprägte Industriegelände im Stadtteil Spandau, auf dem Siemens seit 1897 produziert, soll bis 2030 zu einem "urbanen Stadtteil der Zukunft" umgebaut werden. "Der Senat von Berlin hat uns überzeugend dargelegt, dass er ein solches Großprojekt will", sagte Siemens-Vorstand Cedrik Neike. Stadtoberhaupt Müller sprach von einem "Kraftakt".
70 Hektar großes Gelände
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, das Projekt Campus sei "ein großer Erfolg und eine Auszeichnung für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Deutschland". Auf dem 70 Hektar großen Gelände im Westen Berlins sollen bezahlbare Wohnungen entstehen, dort soll aber auch universitäre Forschung betrieben werden und Start-ups Platz finden. Die Fabriken von Siemens, die zum Teil denkmalgeschützt sind, blieben erhalten. Die Siemensstadt war vor rund 120 Jahren entstanden, als das expandierende Unternehmen Platz für seine Fabriken brauchte und Werkswohnungen für die Mitarbeiter baute. Berlin, wo Siemens 1847 gegründet wurde, ist mit 11.400 Beschäftigten immer noch der weltweit größte Fertigungsstandort des Konzerns und neben München offizieller Firmensitz.
Auf dem "Innovationscampus" in der Siemensstadt soll es um Themen wie Elektromobilität, Künstliche Intelligenz, das "Internet der Dinge" oder 3D-Druck gehen. Siemens wertet die Standortwahl als Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland. Einige hundert Arbeitsplätze könnten dabei entstehen, andere dürften sich stark ändern. Auch der allein in Berlin vom Abbau von 700 Arbeitsplätzen betroffenen Sparte "Power & Gas" soll die "Siemensstadt 2.0" neue Perspektiven geben. In einem "Industrie- und Wissenschaftscampus" zusammen mit der TU und dem Fraunhofer-Institut auf dem Gelände, der 70 Millionen Euro kostet, soll es auch um konventionelle Kraftwerkstechnik gehen.
"Einmaliges Fachwissen" bündeln
Siemens-Chef Kaeser sagte, es gelte, den Strukturwandel in Deutschland zu gestalten. "Es gibt auch kein Land in der Welt, das so stark von der vierten industriellen Revolution betroffen sein wird. Diese Betroffenheit wollen wir als Chance begreifen und nicht als Bedrohung." Das Projekt werde "natürlich auch dafür sorgen, dass Beschäftigung angesiedelt wird und dass sich die Dinge nach vorne entwickeln". Siemens habe im Geschäftsjahr 2017/18 (Ende September) 34.000 Mitarbeiter eingestellt, davon 4.500 in Deutschland. Die IG Metall mahnte, dass Berlin auch als Produktionsstandort weiterentwickelt werden müsse. "Dabei muss Siemens seine Beschäftigten mit in die neuen Arbeitswelten nehmen", sagte Bezirksleiter Klaus Abel. "Denn in ihnen bündelt sich ein einmaliges Fachwissen, das Siemens erst zu dem gemacht hat, was es heute ist."