Der tägliche Kampf der Banken gegen Betrug, Geldwäsche und Sanktionsverstöße verschlingt Milliarden und hält tausende Mitarbeiter auf Trab. Und der Aufwand steigt. Die Attacken werden immer ausgeklügelter, die Vorschriften strenger. Also stocken die Institute ihr Personal in den Compliance-Abteilungen auf.
Doch große Hoffnungen beim Aufspüren und Aussortieren von verdächtigen Transaktionen ruhen auf dem Einsatz künstlicher Intelligenz. Im Gegensatz zum klassischen Filtern, bei dem Experten Computern auf Basis bekannter Muster klare Regeln für die Erkennung von Betrug oder Geldwäsche vorgeben, "lernt" ein Algorithmus ähnlich wie der Mensch auf Basis von Beispieldaten. "Künstliche Intelligenz birgt ein riesiges Potenzial, um die Effizienz und Effektivität zu erhöhen", sagt Gerold Grasshoff vom Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG).
Wo Betrugserkennung schon gut funktioniert
"Bei Kreditkarten-Transaktionen gelingt die Betrugserkennung mit Hilfe von künstlicher Intelligenz schon sehr gut", sagt Stefan Rüping vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme. Um einzuschätzen, ob eine Transaktion verdächtig ist oder nicht, werden viele Merkmale analysiert: Wo wurde die Karte eingesetzt? Wie häufig? Welcher Betrag wurde gezahlt? Menschen stoßen bei der Analyse der riesigen Datenmengen schnell an ihre Grenzen, die Maschine kann hingegen parallel unzählige Kombinationen prüfen, dadurch Regeln finden und diese ständig anpassen. Kreditkarten-Transaktionen sind dafür wie gemacht: Die Datenmenge ist wegen der Vielzahl an Transaktionen groß. Zudem melden sich Kreditkarten-Besitzer zügig, falls sie Opfer von Betrug geworden sind oder eine legitime Transaktion blockiert wurde. "Die schnelle Rückmeldung ermöglicht automatisiertes Lernen. Die Systeme können ständig verbessert werden", sagt Rüping.
Auch beim Verhindern von Zahlungsbetrug kann die moderne Technik helfen. Allein die Commerzbank hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahren Überweisungen in Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro entdeckt, bei denen Firmen einem Betrüger auf dem Leim gegangen sind - etwa weil er sich als Führungskraft ausgegeben und eine Überweisung veranlasst hat. "Es ist uns gelungen, 99 Prozent der Gelder aufzuhalten", sagt der für den Zahlungsverkehr verantwortliche Commerzbank-Manager Frank-Oliver Wolf. Um Betrugsversuche herauszufiltern, setze das Geldhaus auch auf künstliche Intelligenz.
Banken stehen erst am Anfang
Doch noch stehen die Banken am Anfang. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist bisher sehr begrenzt, und der Kampf gegen Finanzkriminalität erfordert viel Handarbeit. "Bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Zahlungsbetrug und Terrorismusfinanzierung werden die Standards für den Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz erst entwickelt", sagt BCG-Berater Grasshoff. Dabei brennt es den Instituten hier besonders unter den Nägeln. Bei Verstößen drohen saftige Strafen, aber immer mehr Überweisungen müssen in immer kürzerer Zeit geprüft werden. Die Folge: Die Kosten steigen kräftig. Deutsche Banken geben rund 46 Milliarden Dollar im Jahr für die Geldwäsche-Bekämpfung aus, rechnete das Beratungsunternehmen Lexis Nexis Risk Solutions im vergangenen Jahr nach einer Umfrage hoch.
Bei den aktuellen Systemen, die auf den von Experten entwickelten Erkennungsregeln basieren, ist die Quote der Fehlalarme sehr hoch. "In der Praxis sind die bisherigen Modelle schon sehr gut, wenn sich nur 95 Prozent der Verdachtsmeldungen als Fehlalarm erweisen", sagt Norbert Gittfried von BCG. Alle als verdächtig eingestuften Transaktionen müssen Mitarbeiter manuell überprüfen - meist nur eine Sache von jeweils wenigen Minuten, dennoch ein enormer Aufwand. Schließlich kann das bei großen Geldhäusern hunderttausende Überweisungen im Jahr betreffen. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz könnten Banken ihre Kosten enorm senken, sagt Lucas du Croo de Jongh vom Beratungsunternehmen Oliver Wyman. Zudem können bisher unerkannte Muster auffallen und Schlupflöcher geschlossen werden. "Auch kleine Transaktionen, die früher durch das Raster fielen, werden dank künstlicher Intelligenz entdeckt."
Technik ist kein Allheilmittel
Ein Allheilmittel ist die Technik nicht, die Zahl der Fehlalarme wird weiter hoch sein. "Die Maschinen werden immer so eingestellt bleiben, dass sie im Zweifel Transaktionen als verdächtig melden", sagt Gerald Kühn, der sich bei der DZ Bank mit dem Zahlungsverkehr beschäftigt. "Das Schlimmste was passieren kann, ist, dass Geldwäsche oder Terrorfinanzierung nicht mehr auffällt, weil die Überwachungsmechanismen gelockert wurden."
Nicht nur die veralteten IT-Systeme vieler Banken und fehlende Standards beschränken den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Ein zentrales Problem ist, dass niemand wirklich weiß, wie die selbstlernenden Systeme zu ihren Schlüssen kommen. Die Ergebnisse der Algorithmen müssen aber nachvollziehbar sein, fordert nicht nur die Finanzaufsicht BaFin in einer jüngst veröffentlichen Studie zum Einsatz von künstlicher Intelligenz. Ausflüchte wie "ich war's nicht, die Maschine war's", würden die Regulatoren nicht akzeptieren, schrieb BaFin-Chef Felix Hufeld im Juni in einem Gastbeitrag im "Handelsblatt". "Man kann viel automatisieren und an Algorithmen delegieren, aber nicht die Verantwortung."