Die ÖVP-FPÖ-Regierung und die NEOS wollen heute i im Nationalrat das Freihandelsabkommen Ceta endgültig absegnen. Damit verhilft man auch jenem Teil zur Gültigkeit, der nicht als EU-vergemeinschafteter Teil bereits gültig ist. Dann ist noch der Bundesrat am Zug und die Unterschrift des Bundespräsidenten notwendig. Die FPÖ war vor den Wahlen noch gegen Ceta bzw. für eine zwingende Volksabstimmung. Das änderte sich mit dem Regierungsübereinkommen. Ein Volksbegehren gegen Ceta und Co hatten im Jänner des Vorjahres mehr als 560.000 Österreicher unterschrieben.
>>>Kommentar: Komödie der Ceta-Irrungen
SPÖ und Liste Pilz wollen morgen noch einmal eine Volksabstimmung zu Ceta beantragen - nachdem das im Wirtschaftsausschuss mit Stimmen von ÖVP, FPÖ und NEOS abgelehnt worden war - und damit der FPÖ "die Chance geben, ihr Wahlversprechen einzuhalten", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder im Vorfeld. Die Plattform "Anders Handeln - Globalisierung gerecht gestalten" organisiert heute einen neuerlichen Protest, die Demonstration ist unmittelbar vor dem Parlament-Ausweichquartier bei der Hofburg am Josefsplatz in Wien und vor dem geplanten Beschluss ab 07:45 Uhr avisiert. Das Motto lautet "Sie fallen um, wir stehen auf". Die Plattform "Anders Handeln" wurde initiiert von Attac, GLOBAL 2000, Südwind, den Gewerkschaften PRO-GE, vida und younion _ Die Daseinsgewerkschaft, der Katholischen ArbeitnehmerInnenbewegung sowie der ÖBV-Via Campesina Austria und wird laut eigenen Angaben von rund 50 weiteren Organisationen unterstützt.
Hier noch einmal ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten zum Ceta-Abkommen:
Heute wird im Nationalrat über das Handelsabkommen Ceta abgestimmt. Worum geht’s?
Bei Ceta handelt es sich um einen umfassenden Handelspakt zwischen der EU und Kanada, der den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen vorsieht. Der Pakt enthält u. a. Bestimmungen über den Marktzugang für Waren, Finanzdienstleistungen, öffentliche Beschaffungen, geistiges Eigentum, Handel und nachhaltige Entwicklung. Im Ministerrat wurde Ceta bereits Mitte Mai beschlossen.
Wird es im Nationalrat eine Mehrheit dafür geben?
Davon ist auszugehen. Neben den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ werden auch die Neos zustimmen.
Ist Ceta damit ab sofort voll gültig?
Ceta ist ein sogenanntes gemischtes Abkommen, weil es sowohl Kompetenzen der EU als auch der Mitgliedstaaten berührt. Daher bedarf es für ein endgültiges Inkrafttreten auch der Genehmigung aller EU-Länder.
Ist nicht ein Teil von Ceta längst in Kraft?
Ja, zumindest vorläufig sind sogar weite Teile von Ceta bereits am 21. September 2017 in Kraft getreten. Das betrifft etwa den Abbau von Zöllen. Fragen des internationalen Handels sind EU-Kompetenz und werden von EU-Rat und EU-Parlament beschlossen. Die Entscheidung, Ceta vorläufig in Kraft zu setzen, wurde im EU-Rat auch von der früheren SPÖ-ÖVP-Regierung getroffen. Ausgenommen sind sensible Agrarprodukte wie Fleisch, Mais oder Eier. Bisher ebenfalls ausgenommen ist das heikle Thema des Investorenschutzes.
Was führen Kritiker gegen den Investorenschutz ins Treffen?
Die Kritiker sehen „eine Paralleljustiz für Konzerne“, die das Rechtssystem untergraben und keiner demokratischen Kontrolle unterworfen seien. Es wird auch darauf hingewiesen, dass multinationale Konzerne nun einen Investorenschutz bekommen, den inländische Betriebe nicht haben. Daher wird von Gegnern eine „Zweiklassengesellschaft“ befürchtet.
Was entgegnen die Ceta-Befürworter?
In der ersten Fassung von Ceta war 2014 die Einführung von geheimen Schiedsgerichten geplant. Das ist seit Jahren gelebte Praxis. Nach Protesten wurde dieser Teil nachverhandelt. Nun soll es einen eigenen Gerichtshof geben, der bei Streitigkeiten zwischen Konzernen und Staaten entscheidet. Ceta-Befürworter verweisen darauf, dass hier ordentliche Richter eingesetzt werden und Dokumente öffentlich einsehbar sind. Daher seien auch die Verfahren transparent. Zudem gibt es Berufungsmöglichkeiten.
Wurde gegen Ceta nicht auch Klage eingereicht?
Das ist richtig. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist noch am Wort. Konkret hat Belgien eine Klärung darüber verlangt, ob die sogenannten Investitionsschiedsgerichte mit EU-Recht zu vereinbaren sind. Kritiker werfen der österreichischen Regierung daher auch vor, Ceta „durchzupeitschen“, weil diese Klärung durch den EuGH nicht abgewartet wird.
Die FPÖ hat im Wahlkampf eine Volksabstimmung über Ceta verlangt, warum stimmt sie nun ohne eine solche zu?
Es war eines der zähesten Verhandlungskapitel vor der Regierungsbildung vergangenen Herbst. Zuletzt gab die FPÖ ihre zentrale Wahlkampfforderung nach einer Volksabstimmung über Ceta im Gegenzug für die Zustimmung der ÖVP zur Abschaffung des Rauchverbots in der Gastronomie auf. Die Forderung nach einer Volksabstimmung hat nun die SPÖ übernommen, die eine diesbezügliche Forderung voraussichtlich mit der Liste Pilz einbringen will. Vor dem Parlament sind für heute Demonstrationen gegen Ceta angesagt.
Ab 9 Uhr im Livestream: Debatte zum Beschluss im Nationalrat: