Trotz Verhandlungen bis zur letzten Minute droht ab 1. Juni ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump wird laut Insidern in Kürze Importzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus der EU verhängen. Für diesen Donnerstag sei eine Erklärung geplant, sagten zwei in den Vorgang eingeweihte Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Am Freitag um 06.01 Uhr (MESZ) läuft die Frist ab, bis zu der EU-Stahl- und Aluminiumexporte in die USA von den Handelshürden befreit sind. Sollten sie doch hochgezogen werden, hat die EU-Kommission Gegenmaßnahmen in petto und will US-Produkte wie Jeans, Bourbon-Whiskey oder Harley-Motorräder mit Zöllen belegen.
Europa ist laut dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire fest entschlossen, sich "gegen aggressive Entscheidungen" zu wehren. Dies habe er US-Handelsminister Wilbur Ross in Paris deutlich gemacht. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz stieß in dasselbe Horn: Falls die USA die Zollschranken herunterlassen sollten, müsse Europa entschlossen reagieren, sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters kurz vor seiner Abreise nach Kanada zu einem G-7-Finanzministertreffen. Dort trifft er auch seinen US-Kollegen Steven Mnuchin. Mit einer kurzfristigen Entschärfung des Streits mit den USA rechnet er nicht. "Nein, es gibt keine Hinweise", sagte er dazu.
"Kein Mercedes in der 5th Avenue"
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, befürchtet eine Eskalationsspirale: "Wir müssen damit rechnen, dass der amerikanische Präsident weitere Maßnahmen nachschiebt, und das ist eigentlich das Besorgniserregende." Zugleich kritisierte er im Deutschlandfunk das "für Europa ungewohnte" Vorgehen Trumps: "Es ist etwas schwierig, mit jemandem zu verhandeln, der als erstes mal den Colt auf den Tisch legt."
Einem Medienbericht zufolge hat Trump insbesondere die deutschen Autobauer im Visier: Er werde seine Handelspolitik beibehalten, bis keine Mercedes-Modelle mehr auf der Fifth Avenue in New York rollten, habe der US-Präsident im April beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesagt, berichtete die deutsche "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf mehrere namentlich nicht genannte Diplomaten aus Europa und den USA.
Auf Trumps Geheiß soll das US-Handelsministerium prüfen, ob Fahrzeugimporte die nationale Sicherheit der USA bedrohen. BDI-Chef Kempf hält ein solches Vorhaben für "hanebüchen", das deutsche Hersteller besonders treffen würde: "Das muss man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen: Die Pkw-Importe eines befreundeten NATO-Landes gefährden die eigene Sicherheit." Schlüsselindustrien wie Autos und Autoteile seien entscheidend für die Stärke der Nation, erklärte Trump kürzlich. Berichten zufolge soll der Aufschlag auf Autos, Lkw und Autoteile bis zu 25 Prozent betragen. Bisher liegt die Einfuhrabgabe für Pkw in die USA bei drei Prozent, während die EU für Wagen aus den USA zehn Prozent aufschlägt.
Doch zunächst geht es nun darum, ob Trump auch Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus Europa in Höhe von 25 beziehungsweise 10 Prozent erheben wird. Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf eine mit der Angelegenheit vertraute Person, die Regierung könne ihre Pläne noch ändern, besonders wenn es beiden Seiten in letzter Minute doch gelänge, sich zu einigen.
Kein Erfolg in Paris
Zuletzt sah es danach allerdings nicht aus. So brachte ein Gespräch zwischen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und ihrem US-Amtskollegen Ross am Mittwoch nicht den erhofften Durchbruch. Die USA wiesen der EU die Schuld dafür zu. Wenn es eine Eskalation wegen der US-Schutzzölle auf Stahl und Aluminium-Importe aus der EU geben sollte, dann wegen Vergeltungsmaßnahmen der Europäischen Union, sagte Ross der französischen Zeitung "Le Figaro". Die Entscheidung über das Inkraftsetzen der Zölle werde am Donnerstag vor oder nach Öffnung der Märkte bekanntgegeben.
"Wir wollen keinen Handelskrieg", sagte Ross. Es liege an der EU zu entscheiden, ob die Vergeltungsmaßnahmen ergreifen wolle. Wie Trump dann reagieren würde, könne man an seiner Reaktion auf die chinesische Entscheidung zu Gegenmaßnahmen sehen. Die USA drohen der Volksrepublik mit Importzöllen im Umfang von 50 Mrd. Dollar (rund 43 Mrd. Euro), sollte sich Peking nicht mit dem Diebstahl geistigen Eigentums auseinandersetzen. Laut dem Handelsministerium in Peking behält sich die Volksrepublik das Recht auf Gegenmaßnahmen vor.
Trump ist das amerikanische Defizit im Handel mit China ein Dorn im Auge, das 335 Mrd. Dollar beträgt. Bei Gesprächen Mitte Mai hatten beide Seiten vereinbart, dass die Volksrepublik mehr Energie und Agrarprodukte in den USA einkaufen werde. Trump sorgte allerdings zuletzt für Verunsicherung mit der Aussage, ein Abkommen mit China werde "eine neue Struktur benötigen".