In letzter Instanz hat ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation (WTO) bestimmte europäische Anschubfinanzierungen am Dienstag als illegal bestätigt. Unmittelbar nach der brachten die USA Strafmaßnahmen ins Gespräch. "Wenn die EU nicht endlich aufhört, die Regeln zu brechen und US-Interessen zu verletzen, werden die USA voranschreiten und Gegenmaßnahmen auf EU-Produkte erlassen müssen", heißt es Mitteilung des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer.
Nach Einschätzung von Handelsexperten in Genf sind solche Vergeltungsmaßnahmen nun nach den Regeln der WTO möglich. Das können Zölle auf EU-Produkte sein. Den Umfang legen WTO-Schiedsrichter fest. Boeing rechnet mit Milliardenbeträgen.
Streit tobt seit 14 Jahren
Der Fall zieht sich seit 14 Jahren durch alle Instanzen der WTO. Die Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar. Das WTO-Schiedsgericht hatte mehrere US-Klagepunkte 2011 abgeschmettert, aber einige Subventionen als illegal eingestuft. Jetzt ging es um die Frage, ob sich die EU an das Urteil von 2011 gehalten hat.
"Die EU hat die Empfehlungen und Urteile des Streitschlichtungsausschusses nicht umgesetzt, denn die zugrunde liegenden Subventionen haben weiter existiert und negative Konsequenzen (für die Gegenseite) gehabt", heißt es in dem Entscheid.
Dennoch reklamierten beide Seiten einen Sieg für sich. Das neueste Urteil widerlege "die meisten Behauptungen der USA, wonach die EU die WTO-Feststellungen missachtet habe", erklärte Handelskommissarin Cecilia Malmström in Brüssel. Das Berufungsgericht habe festgestellt, dass die von den USA angeprangerte EU-Unterstützung für Airbus 2011 größtenteils eingestellt worden sei. Die EU müsse nur "einige wenige Korrekturmaßnahmen vornehmen, um zu gewährleisten, dass sie alle WTO-Regeln in sämtlichen Einzelheiten beachtet".
Auch Airbus reklamiert "juristischen Erfolg" für sich
Auch Airbus sprach von einem "wichtigen juristischen Erfolg". Die WTO habe inzwischen 94 Prozent der ursprünglichen Klagen des US-Konkurrenten vollständig abgewiesen, teilte das Unternehmen mit. Es seien nur "wenige Anpassungen" bei rückzahlbaren EU-Darlehen für Entwicklungskosten nötig. Airbus werde alles Notwendige tun, um etwaige Fehler zu korrigieren, erklärte Chefjurist John Harrison.
Boeing sah sich aber ebenfalls bestätigt: "Das heutige abschließende Urteil sendet eine klare Botschaft: Die Missachtung von Regeln sowie illegale Subventionen werden nicht toleriert", erklärte Boeing-Chef Dennis Muilenburg. Die EU habe sich an frühere Anordnungen nicht gehalten. Die US-Regierung könne nun autorisiert werden, milliardenschwere Vergeltungszölle auf Importe aus der EU zu erheben.
Auch Klage der EU anhängig
Die EU hatte ihrerseits die USA wegen illegaler Subventionen für Boeing ebenfalls verklagt. In dem Fall steht ein abschließendes Urteil noch aus. So betonte Airbus-Konzernchef Tom Enders, die jüngste Entscheidung sei "nur eine Seite der Medaille". Der WTO-Bericht zu den EU-Klagen gegen US-Steuergeschenke für Boeing wird im zweiten Halbjahr erwartet. "Wir erwarten, dass er hart mit der Subventionspolitik von Boeing ins Gericht gehen wird, und dann werden wir sehen, wie es unter dem Strich aussieht", so Enders. Mögliche US-Sanktionen dürften "im Vergleich zu dem, was wir im europäischen Vorgehen gegen Boeing erwarten, nur gering ausfallen".
Die beiden größten Flugzeughersteller der Welt liefern sich seit Jahrzehnten einen erbitterten Konkurrenzkampf. Die USA und die EU werfen sich dabei gegenseitig Wettbewerbsverzerrung vor. Beide Seiten haben ihre Klagen und Proteste jeweils durch sämtliche Instanzen bei der WTO gezogen.
In beiden Fällen haben die Schiedsrichter sowohl Maßnahmen zugunsten von Airbus als auch von Boeing als illegale Subventionen beurteilt. Eine Rückzahlung bereits geleisteter Staatshilfen ist indes nicht vorgesehen. Vielmehr geht es darum, Schaden, den die andere Seite durch Wettbewerbsverzerrungen erlitten haben könnte, auszugleichen.
Harte Sanktionsmöglichkeiten hat die WTO nicht
Staatshilfen im Rüstungsbereich nehmen eine Sonderrolle ein und sind von den WTO-Verfahren nicht betroffen. Sie dürfen als "strategische Industrien" national geschützt werden. Die Sparten spielen sowohl bei Boeing als auch bei Airbus eine große Rolle.
Die WTO-Entscheide enthalten jeweils "Empfehlungen", wie die beklagte Seite ihre Maßnahmen in Einklang mit den WTO-Handelsbestimmungen bringen kann. Während Streitparteien stets die Umsetzung solcher Empfehlungen vermelden, bleibt weiter viel Raum für Interpretationen, ob das tatsächlich geschehen ist. Die Umsetzung ist praktisch fast nicht durchsetzbar. Harte Sanktionsmöglichkeiten hat die WTO nicht.
Im Prinzip sind beide Seiten einig, dass die Dispute nicht durch die WTO-Schiedsgerichte gelöst werden können. Experten sehen die Lösung in einem Vertrag, in dem beide Seiten die zulässige Unterstützung für ihre jeweiligen Luftfahrt-Industrien aushandeln. So etwas gab es in den 90er-Jahren, doch der Vertrag wurde von den USA gekündigt.