Sie wurden vor Kurzem als erster Österreicher an die Spitze des Verbandes des europäischen Sportfachhandels (Fedas) gewählt. Woran wird man Ihre Handschrift erkennen?
MICHAEL NENDWICH: Der Präsident der letzten 15 Jahre bleibt im Amt, ich bin als geschäftsführender Präsident dazugekommen. In so einer langen Funktionsperiode rosten Strukturen und Bemühungen, Neues zu machen, ein wenig ein. Im ersten Schritt gehen wir die Strukturen an: neue Statuten, Kommunikation untereinander und eine Webseite.
Wie wichtig ist so ein Verband für die Branche überhaupt?
NENDWICH: Mittlerweile sehr wichtig. Es werden ja viele Entscheidungen nicht auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene getroffen. Wenn zum Beispiel Strafzölle auf Schuhe aus China eingeführt werden, betrifft das die Sportbranche extrem, aber das kann nicht in Österreich gelöst werden. Dafür braucht man internationale Verbände mit einem guten Draht nach Brüssel.
Mit Blick auf Weihnachten: Wie geht es dem Sporthandel gerade?
NENDWICH: Sehr gut. Wir haben heuer das Glück eines frühen und österreichweiten Wintereinbruches, so brauchen viele Menschen Material und Kleidung, um draußen Sport treiben zu können. Da man schon Ski fahren und Touren gehen kann, spüren wir die Investitionen ins Material sehr stark. Das ist bereits im November losgegangen.
Onlinehandel oder stationärer Shop: Wer hat die Nase vorn?
NENDWICH: Ganz klar der stationäre Shop.
Aber es wird immer mehr im Netz bestellt.
NENDWICH: Ja, das nimmt zu. Es ist schwierig, den Onlineanteil genau zu bemessen, da wir von Amazon und Ebay keine sportspezifischen Zahlen haben. Aber man muss ungefähr von 20 Prozent Marktanteil ausgehen. Das ist nicht erschreckend, denn der Sporthandel hatte immer schon mit 13 bis 15 Prozent einen hohen Versandanteil. Früher waren es die Kataloge, jetzt ist es das Internet. Da aber viele Sportprodukte an den Menschen angepasst werden, ist der stationäre Handel nach wie vor wichtiger.
Sie selbst sind Händler und haben sich in Ihrer Doktorarbeit mit dem Spannungsfeld zwischen Onlinehandel und stationärem Handel auseinandergesetzt. Zu welchem Konzept raten Sie?
NENDWICH: Ich habe nicht das eine Konzept. Die Spanne ist extrem breit. Es gibt auf der einen Seite den Diskonter, der nicht wegzudenken ist, auf der anderen Seite den hoch spezialisierten Ausrüster, den die Preisschlacht gar nicht interessiert. Dazwischen gibt es viele Facetten. In Österreich kommt dazu, dass es zwischen den Händlern in den Städten und in den Tourismusregionen große Unterschiede gibt.
Kann es sich ein Händler heute noch leisten, keinen Onlineshop zu haben?
NENDWICH: Ja, das geht. Die Zahl der Händler ohne Onlineshop geht sicher zurück. Aber ich kenne zum Beispiel in meiner Umgebung einen Händler, zu dem Leute aus ganz Österreich kommen, um Skischuhe anpassen zu lassen. Das sind einige Hundert Paare im Jahr. Das kann das Internet nicht machen. Etwas anderes ist es bei austauschbaren Produkten, da wird es ohne Onlineshop nicht mehr gehen.
Der Sporthandel hat sich globalisiert. Kunden kommunizieren via Internet mit den Herstellern, kaufen dort auch ein. Was heißt das für den traditionellen Handel in Österreich?
NENDWICH: Die klare Trennung zwischen Industrie und Händlern, die es an die Konsumenten weitergeben, gibt es nicht mehr. Große Marken wie Puma, Adidas, Nike machen 25 Prozent ihres Umsatzes mit eigenen Geschäften. Auf der anderen Seite gibt es viele Händler, die selbst produzieren. Die Grenzen sind fließend geworden – mit allen Vor- und Nachteilen. Für einzelne Händler, die keiner großen Gruppe angehören und selbst auch keine großen Stückzahlen herstellen können, ist es ganz entscheidend für den Erfolg, auf welche Marken sie im Verkauf setzen.
Es ist nicht lange her, da ging es im Sporthandel turbulent zu. Marken wie Eybl verschwanden, dafür drängte der britische Disconter Sports Direct herein. Der schreibt nun horrende Verluste. Heißt das, österreichische Sportartikelkäufer wollen keinen Diskont?
NENDWICH: Die Diskontschiene funktioniert in Österreich sehr wohl, die norwegische Kette XXL zeigt es mit Filialen in Wien und Vösendorf gerade vor. Ich glaube, dass auch Sports Direct in Österreich gut funktionieren könnte. Das Problem in diesem Fall sehe ich darin, dass man ein Diskontkonzept über einen Premiumanbieter gestülpt hat. Das ist nicht gut gegangen. In der Lücke, die Eybl hinterlassen hat, sind andere Premiumanbieter wie Intersport und Sport 2000 stark gewachsen.
Aber nicht nur sie. In Österreich ist zuletzt – im Gegensatz zum übrigen Europa – ein Spezialistentum entstanden.
NENDWICH: Das ist ein Unikum. Die unabhängigen Spezialisten sind in den letzten paar Jahren massiv gewachsen. Wir haben mittlerweile 17 Prozent Unabhängige, das sind die kleinen Fahrradhändler und Outdoorshops, die nirgends angeschlossen sind. An dieser Zahl ist zu erkennen, dass es in Österreich eine große Gruppe von Kunden gibt, die Beratung beim Kauf eines Sportartikels haben wollen.
Der Diskonter Decathlon hat die Ankündigung, nach Österreich zu kommen, bis jetzt nicht wahr gemacht. Kommt Decathlon noch?
NENDWICH: Die kommen mit Garantie. Es ist eine Frage der Zeit, Standorte wurden gesichtet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie sich im Süden von Wien niederlassen.
Abgesehen vom Ski- und Tourensport im Winter: Mit welchen Sportarten wird sich der Sporthandel in der nächsten Zeit am meisten befassen?
NENDWICH: Wenn man sich die Gesamtumsätze anschaut, dann ist das Thema Fahrrad im Moment und in Zukunft das wichtigste. Es ist nicht nur Sportgerät, sondern Fortbewegungsmittel. Mit dem E-Bike können neue Zielgruppen erschlossen werden. Outdoor generell – Laufen, Wandern, Klettern – bleibt ebenfalls ein großes Thema.
Ein Trend: leihen statt kaufen. Setzt sich das durch?
NENDWICH: Was den Skiverleih betrifft, haben wir eine hohe Durchdringung, das wird vielleicht noch leicht steigen. In anderen Bereichen – bei den Bikes – wird das definitiv noch zunehmen. Ob sich das aber auch in anderen Segmenten – wie bei Scootern oder Tischtennistischen – durchsetzt, ist abzuwarten und zu bezweifeln.