Von großen Handelshäusern wird der Bitcoin lange ignoriert. Seit Sonntagnacht aber können Investoren an der Chicagoer Optionsbörse erstmals auf die Kursentwicklung der Internetwährung wetten. Die umstrittene Digitalwährung Bitcoin ist damit in eine neue Zeitrechnung gestartet - und legt weiter zu.
Seit Sonntagnacht gibt es mit Bitcoin-Terminkontrakten - sogenannten Futures - das erste Mal ein Finanzprodukt, mit dem die Internetwährung auch an regulierten Börsen gehandelt werden kann. Investoren können damit auf steigende und fallende Bitcoin-Kurse setzen. Die Aufnahme des Handels war mit Spannung erwartet worden, da die zuletzt stark gestiegene Digitalwährung einen großen Schritt in die traditionelle Finanzwelt macht.
Schwung nach holprigem Start
Nach holprigem Start an der Chicagoer Optionsbörse CBOE kam am Montag schnell Schwung in den Handel. Der Preis für den bis Mitte laufenden Bitcoin-Terminkontrakt schoss rasch nach oben - so schnell, dass der Börsenbetreiber die vorher festgelegten Regeln nutzte und den Handel unterbrach. Zuletzt pendelte sich der Bitcoin-Future um 18.000 Dollar (15.329 Euro) ein - ein Plus von rund 20 Prozent im Vergleich zum ersten Kurs. Der Höchstkurs war in der Früh bei 18.700 Dollar gelegen.
Auf den Bitcoin selbst wirkte der Start des Futures kurstreibend. Beim Handelsplatz Bitstamp kostete ein Bitcoin in der Früh rund 16.200 Dollar und damit deutlich mehr als noch am Sonntag.
Mit Future-Kontrakten werden Rohstoffe oder Finanzprodukte zu einem vorab festgelegten Preis für einen künftigen Zeitpunkt gehandelt. Käufer und Verkäufer können sich so gegen Preisschwankungen absichern. Risiken entstehen dann, wenn eine der beiden Parteien das Geschäft nicht erfüllen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Versprechen nicht eingelöst werden kann, ist umso größer, je stärker der Preis des Produkts schwankt. Platzt ein Termingeschäft, ist ein gefährlicher Dominoeffekt möglich.
Es sind auch Spekulationen auf Kursentwicklungen möglich - auch auf einen Wertverfall. Kritiker der Digitalwährung können dank des Terminhandels also auch gegen den Bitcoin spekulieren. In den vergangen Tagen hatte der Bitcoin wegen der zunehmenden Nervosität vor dem Future-Start noch stärker geschwankt als zuvor. Seit Mittwoch vergangener Woche sprangen die Notierungen für den Bitcoin zwischen rund 11.600 Dollar und 16 600 Dollar hin und her. Noch stärker waren die Ausschläge bei der Handelsplattform Coinbase, wo der Bitcoin am Donnerstagabend kurzzeitig fast 20.000 Dollar gekostet hatte.
Weitere Marktverwerfungen erwartet
Hier lagen die Bitcoin-Kurse zuletzt bei knapp 16.900 Dollar. Die nach wie vor hohen Unterschiede der Notierungen sind ein weiterer Beleg dafür, wie undurchsichtig und schwer einzuschätzen der Bitcoin-Markt ist. Im frühen Handel am Montagmorgen hatte die Differenz zeitweise mehr als 1000 Dollar betragen - in den Tagen zuvor waren es zum Teil noch viel größere Abstände. Die Notierungen bei anderen Handelsplätzen wie Itbit und Kranken liegen dazwischen.
Viele Beobachter fürchten, dass es in den kommenden Tagen mit dem Start von Bitcoin-Finanzprodukten an etablierten US-Börsen zu weiteren Marktverwerfungen kommen könnte. Zu Jahresbeginn stand der Wert des Bitcoin noch bei 1.000 Dollar. Seither befindet er sich auf einer rasanten Rekordjagd, die sich in den vergangenen Monaten zunehmend beschleunigt hat und mit teils hohen Kursschwankungen einhergeht. Notenbanker und Experten warnen vor der Unberechenbarkeit der Digitalwährung. Auch führende Banker sind skeptisch.
Die "Wirtschaftsweise" Isabel Schnabel hatte am Wochenende vor möglichen systemischen Risiken nach dem Future-Start gewarnt. Wenn die Internetwährung aus einer Nische in die etablierte Finanzwelt vordringe, berge das Gefahren: "Die Preisentwicklung der Bitcoins erinnert an die großen Blasen der Wirtschaftsgeschichte, zum Beispiel an die Tulpenkrise. Solange die Spekulationen mit Eigenkapital finanziert sind, verlieren die Investoren im Falle eines Crashs zwar viel Geld, die Ansteckungsgefahren dürften aber begrenzt sein", sagte sie der "Welt am Sonntag".
150 Transaktionen in ersten Minuten
Terminkontrakte sind ein Finanzprodukt, mit dem Investoren auf steigende und fallende Kurse der Währung setzen können. In den ersten Minuten nach Handelsbeginn wurden rund 150 Transaktionen abgeschlossen, wie Futures-Manager Bob Fitzsimmons der Nachrichtenagentur AFP sagte. "Es ist ruhig", sagte er.
Der Bitcoin war 2009 auch als Antwort auf die Finanzkrise erfunden worden, um eine von Staaten, Zentralbanken und anderen Finanzinstituten unabhängige Währung zu erschaffen. Befürworter argumentieren, dass Bitcoins vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit attraktiver werden könnten.
Der Kurs des Bitcoin hatte zuletzt stark zugelegt. Der Anstieg wird vor allem durch die Ankündigung der renommierten Chicagoer Terminbörse CME befeuert, ab dem 18. Dezember Terminkontrakte für Bitcoins anzubieten.
"Nicht überschätzen"
Dass heute an der Chicagoer Optionsbörse CBOE erstmals Terminkontrakte (Futures) auf die Kryptowährung Bitcoin gehandelt wurden, sollte man nicht überschätzen, sagte OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny am Montag bei einem Pressegespräch in Wien. "Das sagt nichts über den inneren Wert aus - auch auf Schweinebauchhälften gibt es Futures", so Nowotny.
Erst kürzlich hätten die Europäische Zentralbank (EZB) und andere europäische Zentralbanken gemeinsam festgehalten, dass es sich bei Bitcoin um keine Währung handle. Es sei ein Produkt, mit dem man spekulieren könne. "Bitcoin ist was für Spekulanten, aber keine Währung", betonte Nowotny.
Ob eine Regulierung von Bitcoin notwendig ist, hänge von der Größenordnung ab und falle in die Kompetenz der EU-Kommission. Relevant dabei könnte die EU-Geldwäsche-Richtlinie sein. "Wir haben deswegen Sparvereine geschlachtet", sagte Nowotny.
Derzeit sei die Kryptowährung noch keine gravierende Angelegenheit. Während vom Euro-Bargeld derzeit 1.100 Mrd. Euro im Umlauf seien, komme Bitcoin weltweit auf 141 Mrd. Euro. "Das ist noch ein verschwindender Anteil", so Nowotny.
Nowotny: Keine Gefahr für Finanzmarktstabilität
Eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität sei die Internetwährung nicht. Zumindest so lange nicht, als Leute Kredite aufnehmen, um Digitalwährungen zu kaufen - oder ins Casino zu gehen. Die Herausforderungen lägen im rechtlichen Bereich, weil damit Geldwäsche gemacht oder illegale Transaktionen durchgeführt werden können. Immerhin sei auch der österreichische Schilling wegen der Einführung des Euro abgeschafft worden.
Bei einer etwaigen Regulierung müsste vor allem bei der Vertriebsinfrastruktur angesetzt werden, meinte Nowotny. "Es gibt Anzeichen, dass wir in Österreich eine losere Regulierung haben als in Deutschland", sagte Nowotny. Deshalb werden Standorte nach Österreich verlegt. Hier müsste beim Vertrieb von Bitcoin zumindest der gleiche Regulierungsstandpunkt wie in Deutschland erreicht werden.