Die Österreicher haben im Jahr 2016 wieder etwas weniger Zeit im Krankenstand verbracht als im Jahr davor. Die unselbstständigen Beschäftigten waren im Jahresverlauf durchschnittlich 12,5 Tage im Krankenstand. Das bedeutet einen Rückgang um 1,3 Prozent gegenüber 2015 mit 12,7 Tagen. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Fehlzeitenreport des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) hervor.
Dieser Wert entspricht einem Verlust an Jahresarbeitstagen von 3,4 Prozent bzw. 2015 lag dieser Wert bei 3,5 Prozent. Hauptgrund für die leicht rückläufige Entwicklung der Krankenstandsquote gegenüber 2015 ist laut Fehlzeitenreport vor allem eine etwas schwächere Grippewelle und die geringere Zahl an Atemwegsinfekten. In den meisten anderen Krankheitsgruppen nahm die Zahl der Krankenstandstage hingegen leicht zu.
Weniger Arbeitsunfälle
Langfristig gesehen geht die Zahl der Krankenstandstage deutlich zurück. Ihren Höhepunkt hatten die krankheitsbedingten Fehlzeiten 1980, als pro Kopf 17,4 Krankenstandstage anfielen. In den Jahren 1990 und 2000 waren die Beschäftigten durchschnittlich 15,2 Tage bzw. 14,4 Tage krankgeschrieben, 2010 lag die durchschnittliche Krankenstandsdauer bei 12,9 Tagen. Dieser Rückgang lässt sich laut der Studie nicht durch einen einzelnen Faktor erklären. Eindeutig vorteilhaft wirkten sich demnach die Reduktion der Arbeitsunfälle aus, sowie die Verschiebung der Wirtschaftsstruktur in Richtung Dienstleistungen. Auch andere langfristige Trends, wie die Erhöhung der Teilzeitbeschäftigung und die Zunahme von atypischen Beschäftigungsverhältnissen dürften die Krankenstandsquote gedämpft haben, heißt es.
Bei den Arbeitsunfällen wurde nach dem Vorjahr 2016 erneut ein Tiefstand erreicht. Im Jahr 1974 (erstmalige Erfassung) gab es in Österreich je 10.000 Versicherte 765 Unfälle, 2016 nur mehr 321. Während damit 1974 7,6 Prozent der Beschäftigten von einem Arbeitsunfall betroffen waren, lag die diese Quote im Jahr 2016 bei nur mehr 3,2 Prozent.
Weniger Krankenstände bei den Männern
Unterschiede gab es neuerlich bei den Geschlechtern. 2016 verbrachten Frauen im Schnitt 13 Tage im Krankenstand, Männer 12,1 Tage. Damit lag die Krankenstandsdauer der Frauen um sieben Prozent über jenem der Männer. Der Unterschied ist laut Fehlzeitenreport im Steigen begriffen. Grund dafür ist einerseits, dass die Zahl der Über-50-Jährigen Frauen unter den Beschäftigten stärker steigt als jene der Männer, andererseits sind Frauen vermehrt in Branchen mit überdurchschnittlichen Krankenstandsquoten (wie das Gesundheits- und Sozialwesen) beschäftigt. Gleichzeitig sind die Krankenstände in männerdominierten Branchen wie Bauwesen und Warenherstellung rückläufig. Zu Beginn der 1980er-Jahre lag die Krankenstandsquote der Männer noch um 25 Prozent höher als jene der Frauen. Dieser Abstand verringerte sich in den folgenden Jahren aber kontinuierlich, was zunächst zu einer Angleichung und dann - in den letzten Jahren - zu einer Umkehrung der Verhältnisse führte.
Meistens weniger als vier Tage
Die Kurzkrankenstände dominierten weiterhin: 2016 dauerten gut 40 Prozent aller erfassten Krankenstandsfälle weniger als vier Tage. Gemessen an der Summe der Krankenstandstage ist ihr Gewicht aber gering (8,6 Prozent aller krankheitsbedingten Fehlzeiten). Nur 12,3 Prozent aller Fälle dauerten länger als zwei Wochen. Dennoch verursachte diese vergleichsweise geringe Anzahl an längere Krankenstandsepisoden mit knapp 60 Prozent einen erheblichen Teil der Fehlzeiten.
Volkskrankheit Rückenschmerzen und Co.
Einen Wandel gab im Lauf der Zeit bei den wichtigsten Krankenstandsursachen. Heutzutage sind vor allem Erkrankungen im Muskel-Skelett-Systems und jenen des Atemsystems Grund für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Zusammen verursachen diese Erkrankungen rund 50 Prozent der Krankenstandsfälle und 42 Prozent aller Krankenstandstage. Der Anteil der Verletzungen an den Krankenstandsdiagnosen nahm dagegen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich ab. Er betrug 2016 gut 16 Prozent. Erstmals seit zehn Jahren kam es 2016 zu keinem weiteren Anstieg der Zahl der psychischen Erkrankungen.
Ausgeprägt blieb weiterhin der Unterschied je nach sozialrechtlicher Stellung: 2016 verbrachten Arbeiter mit im Schnitt 15,4 Tagen um 47 Prozent mehr Zeit im Krankenstand als Angestellte (10,5 Tage). Starke Unterschiede gab es auch je nach Region: Salzburg ist seit Jahren das Bundesland mit den geringsten Fehlzeiten, 2016 waren dort die Beschäftigten im Schnitt nur 10,6 Tage im Jahr krank. Die höchste Rate verzeichnete die niederösterreichische Gebietskrankenkasse mit 13,6 Tagen, gefolgt von der oberösterreichischen und der Wiener Gebietskrankenkasse mit 13,3 bzw. 12,5 Tagen. Grund dafür kann zum Teil die Wirtschaftsstruktur sein, heißt es im Report. Bundesländer mit einem industriellen Schwerpunkt (wie etwa Oberösterreich) haben eine höhere, solche mit einem großen Dienstleistungssektor tendenziell niedrigere Krankenstandsquote.
Milliardenkosten für die Firmen
Die direkt zuordenbaren Krankenstandskosten beliefen sich 2015 (dem jüngsten Jahr mit verfügbaren Daten) in Summe auf 3,5 Mrd. Euro oder 1 Prozent des BIP. Laut Angaben des Sozialministeriums bezahlten die Arbeitgeber in Summe 2,8 Mrd. Euro an Entgeltfortzahlungen. Weitere 685 Mio. Euro wurden von den Sozialversicherern in Form von Krankengeld ausbezahlt. Die indirekten Kosten wie Wertschöpfungsverluste (und gegebenenfalls andere betriebliche Kosten) sind laut Fehlzeitenreport nur schwer quantifizierbar. Diese indirekten betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten dürften grob geschätzt zwischen 0,8 und 1,6 Prozent des BIP liegen.
Einen Schwerpunkt legt dieser Fehlzeitenreport auf die Frage der "altersgerechten Arbeitswelt". Sowohl die Krankenstandsdaten als auch andere Indikatoren würden belegen, dass mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Problemen und Einschränkungen steigt. Allerdings sind auch junge Arbeitnehmer häufig krank, dafür aber kürzer als ältere: Jugendliche unter 20 Jahren sind vergleichsweise häufig krank, ab dem 20. Lebensjahr gehen die altersspezifischen Krankenstandsquoten leicht zurück. Ab 40 Jahren steigt die durchschnittliche Zahl an Krankenstandstagen wieder an und erreicht bei Beschäftigten zwischen 60 und 64 Jahren den Höchstwert. Ältere Arbeitskräfte treten seltener als junge einen Krankenstand an, sie sind jedoch überproportional oft von langen Krankenstandsfällen betroffen.