Die deutschen Wirtschaftsweisen beharren auf einer Lockerung des Arbeitszeitgesetzes. "Flexiblere Arbeitszeiten sind wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Christoph Schmidt, der "Welt am Sonntag". Der Deutsche Gewerkschaftsbund widersprach vehement.
Eine mögliche Änderung des Arbeitszeitgesetzes ist auch eines der strittigen Themen bei den laufenden Jamaika-Sondierungen.
Die Arbeitgeber fordern seit längerem, nicht mehr die tägliche, sondern nur noch die Wochenarbeitszeit zu begrenzen. Der Wirtschaftsweise Schmidt sagte der "WamS", zwar habe sich der Arbeitnehmerschutz in Deutschland bewährt. Er sei aber teilweise "nicht mehr für unsere digitalisierte Arbeitswelt geeignet".
Die Vorstellung, "dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet", sei "veraltet". Unternehmen bräuchten etwa Sicherheit, "dass sie nicht gesetzwidrig handeln, wenn ein Angestellter abends noch an einer Telefonkonferenz teilnimmt und dann morgens beim Frühstück seine Mails liest". Dies würde nicht nur den Firmen helfen, sondern auch den Mitarbeitern, die mit der digitalen Technik flexibler arbeiten könnten.
"Unbezahlte Überstunden"
Die Gewerkschaften wehren sich gegen die Lockerungspläne der Arbeitgeber. DGB-Chef Reiner Hoffmann warf Schmidt am Sonntag Realitätsverweigerung vor. "Arbeitsgesetz und Tarifverträge bieten schon lange eine Fülle an flexiblen Möglichkeiten", erklärte Hoffmann. Die Beschäftigten hätten unter anderem deswegen im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Überstunden geleistet - "die Hälfte davon unbezahlt".
Statt einseitige Flexibilität zugunsten der Arbeitgeber sei es nötig, dass beispielsweise Arbeitszeiten präzise erfasst und bezahlt würden sowie ein Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit.