Die Industriellenvereinigung ortet in der heimischen Politik noch viele Stellschrauben, an denen gedreht werden müsse. "Wir haben im Moment ein echtes Populismusproblem", sagte IV-Präsident Georg Kapsch am Mittwoch in einem Pressegespräch mit Blick auf die Nationalratswahl. "Den Populismus haben wir schon seit 25 Jahren, aber das weitet sich aus anstatt dass wir versuchen, das zurückzudrängen."
"Jetzt geht es halt gegen eine andere Minderheit und das sind halt die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ja die Arbeitsplätze schaffen", stellte Kapsch fest und wehrte sich etwa dagegen, dass sie alle als Steuersünder hingestellt werden. "Das ist nicht fair."
"Reiner Populismus und extrem verantwortungslos"
"Es kommen wieder in letzter Sekunde Anträge ins Parlament - das ist reiner Populismus und extrem verantwortungslos", kritisierte Kapsch etwa in Anspielung auf den aktuellen Vorstoß von SPÖ und Grünen, die Arbeitsbedingungen (z. B. die Kündigungsfristen) von Arbeitern und Angestellten gesetzlich anzugleichen.
"So wie das da liegt, ist das eine gesetzliche Regelung, die automatisch die Kollektivverträge derogiert." Zudem müssten alle Personal- und Lohnverrechnungssysteme umgestellt werden. "So einfach ist das nicht, abgesehen von den Kosten", kritisierte der IV-Präsident. "Ich trau mich zu sagen, das macht einige Hundert Millionen Euro aus - wir halten die von der Wirtschaftskammer genannten 150 Mio. Euro für die unterste Grenze. Das ist zu tief gegriffen", meinte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
"Ich bin seit 20 Jahren ein Verfechter der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten - mein Ruf ist verhallt", so Kapsch. Und jetzt gebe es einen Schnellschuss. "Es führt dazu, dass es wieder ein Angriff auf den Standort ist", befürchtet der IV-Präsident ein weiteres Zurückfallen Österreichs in puncto internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Politiker zur Verantwortung ziehen
Die Vertreter der Industrie plädierten dafür, dass die Politiker für ihr Handeln verstärkt zur Verantwortung gezogen werden könnten und auf mehr Budgetdisziplin achten müssten. "Wir wollen, dass zum Beispiel die Schuldenbremse eingehalten wird - wir müssen die Politik wieder in die Verantwortung zwingen", forderte der IV-Generalsekretär. Dann werde auch das Vertrauen in die Politik, das diese verloren habe, wieder steigen.
Verbesserungsbedarf sieht die IV zudem beim Steuersystem: "Die Progression muss in allen Einkommenssegmenten runter", so Neumayer. Österreich sei bei der Einkommensbesteuerung mit dem fünfthöchsten Progressionsgrad "top" in den OECD-Ländern. Die Steuer- und Abgabenquote in Österreich sei insgesamt "extrem hoch".
Bei Förderungen "einiges zu holen"
Weiters fordert die IV "Leistungsgerechtigkeit auch innerhalb des Staatssektors" - etwa in den Bereichen Gesundheit und Kinderbetreuung. "Daraus könnte der Staat über 5 Mrd. Euro oder 1,5 Prozent des BIP lukrieren." Die Basisversorgung solle kostenlos sein, aber jede Zusatzleistung kostenpflichtig. Bei der Hoheitsverwaltung könnte ebenfalls gespart werden. Im EU-Durchschnitt koste diese 550 Euro pro Kopf, in Österreich 820 Euro pro Kopf, betonte Kapsch. Auch beim Thema Förderungen wäre "einiges zu holen". "In Summe könnten wir um 15 Mrd. Euro entlasten - nicht kurzfristig, aber in fünf bis acht Jahren", so der IV-Präsident. "Wir haben in dem Land eindeutig ein Ausgabenproblem."