Der mit vielen Öl-Milliarden aus Abu Dhabi herausgezögerte Kollaps der Etihad-Beteiligungen Air Berlin und Alitalia wirbelt die Branche durcheinander, bietet den Beteiligten Chancen und Risiken gleichzeitig.

Die Passagiere müssen sich hingegen auf unruhige Zeiten einstellen. Allein die Pleite der Air Berlin (inklusive der österreichischen Niki, Anm.) hat mit all ihren Begleiterscheinungen die Kunden nachhaltig verunsichert. Ein zunächst unzuverlässiger Betrieb, dann rätselhafte Massenerkrankungen der Piloten und schließlich die Aufgabe der Fernstrecken sind Vorboten des lange angekündigten Todes der deutschen Nummer zwei. Bis zum 12. Oktober will das Eigenverwaltungs-Management nur mit Lufthansa und Easyjet über die Zerschlagung des Unternehmens sprechen. Jeder fünfte der mehr als 8.000 Jobs steht dabei auf der Kippe.

"Geschäftsleute benötigen vor allem Verlässlichkeit"

Noch ist keineswegs ausgemacht, dass die Lufthansa das ganz große Kuchenstück der Air Berlin erhält, für das sie geboten hat. Die Kartellbehörden müssen darauf achten, dass der Wettbewerb nicht zu stark eingeschränkt wird. In Deutschland seien in Folge der Krise bereits stark gestiegene Ticketpreise zu beobachten, berichtet der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR).

"Geschäftsleute benötigen vor allem Verlässlichkeit", sagt Hauptgeschäftsführer Hans-Ingo Biehl. Soll heißen: Kaum jemand bucht noch Air Berlin, wenn man nicht das Schicksal des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) teilen möchte, der am Tag der Bundestagswahl trotz eines gültigen Tickets nicht in die Hauptstadt kam.

Nicht auf jeder Destination in den Nahkampf 

"Im Kern geht es darum, wer künftig auf den innerdeutschen Strecken noch fliegt", sagt Biehl über die Zeit nach Air Berlin. Europaweit und auch im touristischen Bereich gebe es genug Konkurrenz, doch sei es bedenklich, wenn Air Berlin bereits von diesem Freitag an Strecken wie Köln-München oder Hamburg-München streiche und der Lufthansa überlasse. Selbst wenn Easyjet in die entstehende Lücken stoße, würden die Briten nach seiner Einschätzung vorsichtiger agieren und nicht auf jeder Destination in den Nahkampf mit dem mächtigen Lufthansa-Konzern gehen. "Wir rechnen mit einem knapperen Angebot, weniger Auswahl und steigenden Preisen."

Den Winter über stellt zudem Ryanair die Verbindung zwischen Köln/Bonn und Berlin ein. Der schärfste Konkurrent der Lufthansa schwächelt derzeit merklich. Der Passagier-Europameister hat seinen Wachstumskurs offenbar überrissen und streicht in den kommenden Monaten mehr als 20.000 Flüge. Die Flotte für den Winterflugplan wird um 25 auf 375 Maschinen geschrumpft, und auch im kommenden Sommer werden zehn Ryanair-Boeings weniger als geplant abheben. Mehr als 700.000 Passagiere sind betroffen und haben Anrecht auf Entschädigungen.

Rückenwind für verärgerte Piloten

Als Grund für die Flugabsagen nennt Ryanair-Chef Michael O'Leary hartnäckig die verfehlte Urlaubsplanung bei den Piloten, die nun bis Ende März alte Ansprüche abbauen und möglichst viel neuen Urlaub nehmen sollen. An der Börse mehren sich aber Zweifel an dieser Version, wie beispielsweise der Analyst Neil Wilson der Londoner Gesellschaft Etx Capital schreibt. Er warnt vor steigenden Crew-Kosten, stärkerem gewerkschaftlichen Einfluss und höherem Aufwand bei direkt angestellten Cockpit-Kräften. Nicht nur die Passagiere seien bei Ryanair in Turbulenzen, sondern auch die Investoren. Das Unternehmen hält dennoch an seinen aktuellen Gewinnprognosen fest, hat aber die Wachstumspläne eingebremst.

Etliche Piloten sind offenbar entschlossen, den Personalengpass bei Ryanair zu nutzen, um unsichere Arbeitsverhältnisse zu beenden und für sich bessere Konditionen herauszuholen. Rückendeckung erhielten sie vom Europäischen Gerichtshof, der erst kürzlich Arbeitsgerichtsprozesse am jeweiligen Einsatzort der Piloten zugelassen hat und nicht mehr nur im sozialrechtlich laxen Irland. O'Leary hat bisher mit Gehaltszuschlägen um bis zu 10.000 Euro im Jahr reagiert und interne Gespräche mit dem Personal angekündigt. Mit externen Verbänden oder gar der "Lufthansa-Gewerkschaft" Vereinigung Cockpit, die wie die irische IALPA erste Ryanair-Piloten organisiert hat, will O'Leary aber weiterhin nicht reden.

Imageschaden

Die Iren müssen einen erheblichen Imageschaden einstecken und haben sich ganz nebenbei aus den Bieterrennen um die Etihad-Beteiligungen Air Berlin und Alitalia zurückgezogen, angeblich um sich auf die eigenen Management-Probleme zu konzentrieren. Bei der Neuverteilung großer Teilmärkte in Europa bleibt Ryanair damit nur Zaungast. Dauer-Konkurrent Easyjet geht einen anderen Weg, kommt wohl bei Air Berlin zum Zug und hat auch in Italien gute Chancen auf einen zusätzlichen Marktzugang. Den benötigen die Briten wegen drohender Schwierigkeiten beim britischen EU-Austritt dringend.

Wenn alles klappt, gehört zudem die Eurowings zu den Gewinnern des ganzen Wirbels. Im kommenden Sommer will Geschäftsführer Michael Knitter rund 200 Flugzeuge in der Flotte haben, nahezu eine Verdoppelung der heutigen Zahl - fast alle mit deutlich kostengünstigeren Crews als bei der Mutter Lufthansa besetzt. In Sachen Billigableger fliegt der Kranich-Konzern seinen ewigen Konkurrenten Air France und British Airways voraus, die gleichwohl auf Lang- und Mittelstrecke nachziehen. Den Billigfliegern sind vorerst die Flügel gestutzt, doch abschreiben sollte man sie noch längst nicht. "Ryanair wird wahrscheinlich der billigste und schlankste Anbieter bleiben", ist Analyst Wilson überzeugt.

Von Christian Ebner/dpa