In den vergangenen Wochen war er der wohl berühmteste Berg der britischen Insel – und mit Sicherheit der ekeligste. Von der „New York Times“ bis zum „Spiegel“ wurde weltweit über den Londoner „Fettberg“ berichtet. Die unappetitlichen Bilder von den monströsen, insgesamt 130 Tonnen schweren Klumpen, die sich in der Kanalisation der britischen Hauptstadt auftürmen, gingen um die Welt.
Der „Fettberg“ verstopft einen Abwasserkanal im Londoner Stadtteil Whitechapel. Er ist 250 Meter lang und besteht vor allem aus Windeln, Feuchttüchern und hartem Kochfett. In britischen Medien war vom „Monster aus der Kanalisation“ die Rede, weitere „Kosenamen“ waren „Fatty McFatberg“ und „Fat the Ripper“.
Vor wenigen Tagen hat nun das Entsorgungsunternehmen „Thames Water“ seinen Lösungsansatz präsentiert. Der Fettberg wird nach und nach abgetragen und in Biodiesel umgewandelt. Das ist technologisch enorm anspruchsvoll, doch seit diesem Jahr steht in Stanlow nahe Manchester eine Anlage, die diese komplexen Umwandlungsprozesse beherrscht. Das Know-how dafür kommt aus der Steiermark. Denn entwickelt und gebaut wurde diese Anlage für „Argent Energy“ von BDI Bioenergy mit Sitz in Grambach. Der weltbekannte Fettberg aus der Londoner Kanalisation wird also mit steirischer Technologie in Bioenergie umgewandelt. Den elf Millionen Euro schweren Auftrag zur Errichtung der weltweit ersten Anlage dieser Art erhielt BDI im Jahr 2015.
"Wir entsorgen Abfall und erzeugen dabei grüne Energie"
„Nirgends werden unsere Slogans „From Waste to Value“ und „From Waste to Energy“ deutlicher sichtbar als an diesem Beispiel, denn hier wird klar, dass mit unserer Technologie aus dem größten Dreck noch saubere Energie erzeugt werden kann“, betont BDI-Vorstandsmitglied Andreas Ehart. Man löse damit zwei Probleme gleichzeitig: „Wir entsorgen Abfall und erzeugen dabei noch grüne Energie.“
Die Anlage kann aus verschiedenen Abfällen wie beispielsweise Altspeiseöl und Fettabscheiderfett jährlich 75.000 Tonnen Biodiesel erzeugen. Die Aufarbeitung dieser Abfälle – hier entwickelt und forscht BDI bereits seit 15 Jahren – „ist wesentlich komplexer als die Verarbeitung von Pflanzenöl, sie erfordert ein mehrstufiges Verfahren, in dem Fette und Fettsäuren umgewandelt sowie Verunreinigungen abgetrennt werden“, so Ehart.
Heute sei man Markt- und Technologieführer für diese sogenannten „Multi-Feedstock“-Anlagen. Dass die selbst entwickelte Technologie nunmehr so ausgereift ist, „dass sich selbst aus einem solchen Fettberg hochreiner Biodiesel nach den strengen europäischen Normen produzieren lässt“, mache das Team sichtlich stolz. Die technischen Besonderheiten der Anlage: „Fette altern und zersetzen sich dabei u. a. zu freien Fettsäuren. Man kennt das von Butter – sie wird ranzig. Einfachere Anlagen können diese Fettsäuren nicht aufarbeiten, unsere Anlagen können Rohstoffe mit bis zu 100 Prozent Fettsäureanteil verarbeiten“, erklärt man bei BDI.
"Wird bei Diesel-Debatte leider nicht berücksichtigt"
In Abfallfetten seien neben den groben und offensichtlichen Verschmutzungen (wie etwa Toilettenpapier) auch viele Verunreinigungen wie Mikroplastik und Schwefelverbindungen enthalten, die sich nicht einfach durch Siebe oder Ähnliches abtrennen lassen. „Um dennoch die strengen europäischen Grenzwerte einzuhalten, wird Biodiesel in unseren Anlagen nach einem speziellen Verfahren destilliert“, so Ehart.
Ob dieser technologischen Weiterentwicklungen bedauere er, wie die aktuelle Dieseldebatte geführt wird. „Leider wird diese super Möglichkeit bei der Debatte um den Diesel nicht berücksichtigt.“ Zumindest jenen Dieselbedarf, den man trotz Elektrifizierung im Transport langfristig immer benötigen werde, „könnte man durch ökologisch sauberen Biodiesel ersetzen“, so Eharts Appell.