Am Donnerstag diese Woche tritt das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanda (Ceta) in Kraft. Die vorläufige Anwendung umfasst über 90 Prozent des Abkommens. Ausgenommen sind vor allem der Investitionsschutz, die Investitionsgerichtsbarkeit, der Zugang zum Investitionsmarkt für Wertpapieranlagen und die strafrechtliche Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten (Camcording).
Die EU erwartet sich durch Ceta Exportchancen auch für Klein- und Mittelbetriebe durch die Öffnung der Waren- und Dienstleistungsmärkte sowie der öffentlichen Auftragsvergabe in Kanada. Durch das Abkommen entfallen mit dem vorläufigen Inkrafttreten 98 Prozent aller kanadischen Zollgebühren. Nach Berechnungen der EU-Kommission ersparen sich die Europäer dadurch jährlich Zollgebühren in Höhe von 590 Millionen Euro.
Kanada verdoppelt Käse-Import
Zölle entfallen auch für Lebensmittel- und Getränkeexporte. Kanada verdoppelt etwa seine Quoten für Einfuhren von europäischem Käse. Einen Schutz genießen Rind- und Schweinefleisch und Mais, für die es limitierte zollfreie Quoten gibt. Für Geflügel und Eier gibt es keine Marktöffnung. 143 europäische Produkte mit Herkunftsangaben wie etwa der italienische Chianti-Wein oder tschechisches Bier sind wie in der EU dann auch in Kanada vor Fälschungen geschützt.
Auf Null reduzieren sich die Zölle auch in der Industrie, ob dies nun Bekleidung, Autoteile, Maschinen, elektrische Apparaturen, medizinische und optische Geräte oder Chemikalien umfasst. Eine Marktöffnung erfolgt durch Ceta weiters in Finanz-, Post-, Telekom- und Verkehrsdienstleistungen. Das Abkommen schafft auch einen Rahmen für die gegenseitige Berufsanerkennung, etwa für Wirtschaftsprüfer, Architekten, Ingenieure und Rechtsanwälte.
Kanada ist Europas zehntwichtigster Partner
Vorbild für Ceta ist für die EU-Kommission das 2011 in Kraft getretene Freihandelsabkommen EU-Südkorea. Dieses hat seither zu einem Anstieg von 55 Prozent der EU-Waren- und 40 Prozent der EU-Dienstleistungsausfuhren geführt. Nach Berechnungen der EU-Behörde haben sich europäische Firmen seither 3 Milliarden Euro an Zollgebühren erspart.
Im Jahr 2016 exportierte die EU Waren im Umfang von 35 Milliarden Euro und 2015 Dienstleistungen im Wert von 18 Milliarden Euro nach Kanada. Kanada ist für die EU der zehntwichtigste Handelspartner weltweit, umgekehrt ist die EU für Kanada der zweitgrößte Handelspartner. Nach Angaben der EU-Kommission hängen in Europa 865.000 Jobs von Exporten nach Kanada ab. 221.000 Arbeitskräfte aus der EU arbeiten in der EU für kanadische Firmen.
Auch zwischen Österreich und Kanada bestehen enge Handels- und Investitionsbeziehungen: Kanada ist für Österreich der siebtwichtigste Handelspartner außerhalb der EU. Der österreichische Handelsbilanzüberschuss gegenüber Kanada beträgt aktuell 693 Millionen Euro. Österreich exportiert Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,2 Milliarden Euro und importiert Waren und Dienstleistungen im Umfang von 537 Millionen Euro aus Kanada. Nach Schätzungen der EU-Kommission wird Österreich von der Aufhebung von Zöllen auf nahezu alle seine Ausfuhren profitieren, insbesondere bei Maschinen und elektrotechnischen Geräte, Eisen- und Stahlerzeugnissen, Arzneimittel sowie Kfz-Teilen.
Steigt das Realeinkommen durch Ceta?
Die Wirtschaftskammer (WKO) erwartet anhand einer Simulationsanalyse des ifo aus dem Jahr 2014 einen volkswirtschaftlichen Nutzen von Ceta für Österreich in Höhe von plus 0,3 Prozent Realeinkommenszuwachs. Demnach würde Österreich stärker als die EU insgesamt von Ceta profitieren, für die ein Plus von 0,22 Prozent erwartet wird. Eine zweite Studie des Forschungsschwerpunktes Internationale Wirtschaft rechnet auch für Österreich mit einem Zuwachs des Realeinkommens von 0,22 Prozent. Am stärksten profitieren demnach die Sektoren Motorfahrzeuge (+0,74 Prozent), elektrische Maschinen (+0,47 Prozent) und Konstruktion (+0,43 Prozent).
Die bisher nicht in Kraft tretenden Teile des Ceta-Abkommens können erst dann angewendet werden, wenn auch die Parlamente der EU-Staaten den Text ratifiziert haben. Von den 28 EU-Staaten haben dies bisher erst Lettland, Dänemark, Spanien, Kroatien und Malta gemacht. In Belgien müssen auch Regionalparlamente zustimmen. So hatte die Region Wallonien im Vorjahr die Unterzeichnung von Ceta wochenlang blockiert, bis der Text schließlich doch am 30. Oktober 2016 von Spitzenvertretern beider Seiten unterschrieben wurde.