Im Wahlkampf ist Arbeit wieder zu einem Schlüsselbegriff geworden. Der plötzlich – ob sinkender Arbeitslosigkeit – tendenziell positiv verwendet wird. Wundert Sie das?
JOHANNES KOPF: Arbeit ist in Wahlkämpfen immer zentral. Aktuell sinkt die Arbeitslosigkeit gerade einmal ein halbes Jahr und das Thema Fachkräftemangel wird schon laut – obwohl wir fast 400.000 Arbeitslose haben. Es kann in diesem Bereich also alles sehr schnell gehen.
„Wir haben 80.000 Arbeitsplätze geschaffen“, ließ der Kanzler im Sommergespräch wissen. Stimmt das so?
Mit wir hat er wohl Österreich gemeint. Natürlich hat Bundeskanzler Kern nicht allein 88.000 Arbeitsplätze geschaffen. Auch das AMS hat die Trendwende nicht verursacht. Es sind die Betriebe und in hohem Maße das Anziehen der internationalen Konjunktur verantwortlich, dass es so viel besser läuft als zuletzt.
Was kann man arbeitsmarktpolitisch eigentlich schaffen und welcher Anteil der Entwicklung entsteht konjunkturbedingt?
Auf europäischer Ebene hieß es zuletzt – es gibt dafür keinen Nachweis –, dass Arbeitsmarktpolitik maximal über einen Prozentpunkt entscheidet. Die beste Arbeitsmarktpolitik der Welt kann nicht eine Rezession umkehren.
Was tun Sie in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs? Wie kann man diesen bestmöglich ausnutzen?
Im Aufschwung musst du qualifizieren. Da hast du Stellenangebote, die du nicht besetzen kannst. In der Konjunkturflaute muss man Beschäftigungsförderungen einsetzen, um die Betroffenheit zu verteilen. Damit sich Arbeitslosigkeit nicht bei einzelnen Gruppen verhärtet.
Das scheint aber in den letzten Jahren kaum gelungen. Warum?
Bei Null Komma irgendwas Prozent Wachstum steigt die Arbeitslosigkeit an. Aus dem simplen Grund: 1,3 Prozent Wachstum schafft die österreichische Wirtschaft nur durch Produktivitätssteigerungen. Darunter brauchen sie also grundsätzlich sogar weniger Leute. Dass die Beschäftigung in diesem Zeitraum dennoch gestiegen ist, verwundert. Der Grund: Wir hatten eine Verschiebung von Vollzeit-Branchen – Industrie oder Bau – hin zu Teilzeit-Branchen – Handel und Tourismus. Die gesamt geleistete Menge an Arbeit ist zwischen 2011 und 2015 aber gesunken. 2016 war das erste Jahr, wo auch die Vollzeitarbeitsplätze wieder angezogen sind.
Wie lange wird der nun positive Trend am Arbeitsmarkt anhalten?
Die Prognosen haben sich noch einmal verbessert und deuten auf einen echten Konjunkturaufschwung hin. Eine aktuelle Prognose sagt, dieser könnte sogar bis ins Jahr 2021 hineinreichen.
Ältere haben es trotzdem noch immer deutlich schwerer, wieder Arbeit zu finden.
Man muss da differenzieren. Die Arbeitslosenquote der Über-50-Jährigen sinkt, obwohl der Bestand steigt. Ursache ist die Demografie, es gibt zurzeit sehr viel mehr beschäftigte Ältere. Das Aber: Die Quote sinkt mit 0,3 Prozent weniger stark als die allgemeine Arbeitslosenquote mit 0,6 Prozent. Das heißt, Ältere können vom Aufschwung noch nicht so stark profitieren wie andere.
Die Aktion 20.000 soll Jobs für ältere Langzeitarbeitlose bringen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Programm bis dato?
Österreichweit sind wir noch unter 1000 Personen – aber das ist im Plan. Bis Jahresende sollten 2000 Menschen in diesem Programm sein, das sieht machbar aus. Wir sind noch in einer Pilotphase, ausgerollt wird die Aktion im Jänner 2018.
Aus der Wirtschaft gibt es Stimmen, die die aktuell hohe Zahl der offenen Stellen negativ sehen. Von wegen, es sei ein Armutszeugnis, diese nicht besetzen zu können. Können Sie das nachvollziehen?
Dazu möchte ich nur sagen: Zu 70 Prozent sind unsere offenen Stellen am Monatsende andere als zu Monatsbeginn. 40 Prozent aller offenen Stellen haben eine Laufzeit von weniger als zehn Tage. Der Bestand allein sagt also wenig aus.
Was denken Sie über den Beschäftigungsbonus, bei dem der Bund Lohnnebenkosten übernimmt, wenn Betriebe bestimmte neue Mitarbeiter einstellen?
Die Politik entschied sich, die Lohnnebenkostensenkung bei wachsenden Unternehmen zu machen – das ist jetzt vielleicht ein bisschen überholt, weil diese durch die Konjunktur ohnehin gut wachsen. Eine breite Lohnnebenkostensenkung, die speziell die Arbeit von Unqualifizierten billiger macht, würde sicher starke Beschäftigungseffekte haben. Die schlechtqualifizierten Jobs müssen billiger werden. Dort haben wir die stärkste Konkurrenz mit Automatisierung und Verlagerung.
Zur Debatte steht auch wieder einmal die Mindestsicherung. Unterstützen Sie die Forderung nach einer Reduktion für bestimmte Gruppen?
Sicher führt ein reduzierter Sozialtransfer zu einer höheren Arbeitsmotivation. Aber: Nicht bei jeder arbeitslosen Person liegt es an der Arbeitsmotivation. Außerdem möchten wir gerne, dass geflüchtete Personen nicht den erstbesten Hilfsarbeiterjob annehmen, sondern Lehrausbildungen machen. Vor allem Jüngere. Wenn sie sich das aufgrund einer reduzierten Mindestsicherung nicht leisten können, droht eine Integration in weniger nachhaltige Beschäftigungsformen. Wie auch immer es die Politik entscheidet: Wir wollen eine österreichweit einheitliche Mindestsicherung. Das ist für uns Voraussetzung für überregionale Vermittlung.