In der Debatte um überhöhte Abgas-Werte bei Dieselautos hat FDP-Chef Christian Lindner der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, dass sie die Autoindustrie zu sehr schont. "Die Erhöhung des Mobilitätsfonds um 500 Millionen Euro ist eine richtige Entscheidung. Mir fehlt jedoch das Verständnis, warum dies allein aus Steuermitteln bestritten wird", sagte Lindner.

"Ich hätte erwartet, dass die Kanzlerin die Autokonzerne in die Pflicht nimmt, dass sie für die Hälfte aufkommen", fügte Lindner gegenüber der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" hinzu. Dies sei "eine falsche Form von Nachsicht gegenüber den Konzernen zulasten der Steuerzahler".

Wirtschaftsverbände zufrieden

Wirtschaft und Handwerk begrüßten hingegen die Aufstockung der Mittel, die bei einem Treffen von Merkel mit Vertretern aus Ländern und Kommunen am Montag im Kanzleramt vereinbart worden war. Dies gehe "in die richtige Richtung", sagte Martin Wansleben, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem Blatt. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte: "Das Treffen hat gezeigt, dass man endlich gewillt ist und sich daran macht, Lösungen zu finden, um Fahrverbote auf jeden Fall zu vermeiden." Mit Software-Updates von Dieselmotoren allein sei es aber nicht getan. Wollseifer forderte die Autoindustrie auf, auch die Hardware der Dieselmotoren auf ihre Kosten auszutauschen.

Für den sogenannten Mobilitätsfonds im Kampf gegen die Luftverschmutzung in den deutschen Innenstädten stellt der Bund nun insgesamt eine Milliarde Euro bereit, wie die Kanzlerin am Montag mitteilte. Mit dem Geld sollen Kommunen, die besonders stark von Stickoxid-Emissionen betroffen sind, etwa die Infrastruktur für E-Mobilität verbessern, öffentliche Nahverkehrsangebote sowie den Fahrrad- und Fußgängerverkehr attraktiver machen. Zu den Förderberechtigten zählen alle Kommunen, die Grenzwerte für die Luftverschmutzung überschreiten.

"Substanzieller Beitrag" gefordert

Der Mobilitätsfonds im Umfang von zunächst 500 Millionen Euro war beim Dieselgipfel Anfang August vereinbart worden. Diese Summe wollen sich Bund und Autoindustrie teilen. Die weiteren 500 Millionen Euro soll nun laut Merkel erst einmal der Bund bereitstellen - Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte aber, er gehe davon aus, "dass ein substanzieller Beitrag" der Aufstockung auch von der Autoindustrie kommen müsse.

Die in Dieselabgasen enthaltenen Stickoxide (NOx) schädigen die Lunge, erhöhen das Risiko für Schlaganfälle und Herz-Kreislauferkrankungen und tragen zur Entstehung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei. Rund 38.000 Menschen sind einer Hochrechnung zufolge wegen nicht eingehaltener Abgasgrenzwerte bei Dieselfahrzeugen allein im Jahr 2015 vorzeitig verstorben, 11.400 von ihnen in EU-Ländern. Das hat ein Team um die Forscherin Susan Anenberg von der Organisation Environmental Health Analytics (LLC) in Washington berechnet. Die Gesamtzahl vorzeitiger Todesfälle durch Stickoxide aus Dieselabgasen liegt nach den Berechnungen der Forscher für die weltgrößten Automärkte bei 107.600 im Jahr 2015, inklusive der 38.000, die laut den Forschern vermeidbar gewesen wären, hätten die Dieselfahrzeuge die Grenzwerte eingehalten.