"Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir mit diesen Entscheidungen die Fahrverbote vermeiden", sagte Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Berlin. In Summe würden die Maßnahmen, die bei dem Spitzentreffen von Politik und Industrie am Mittwoch verabredet wurden, dazu beitragen, dass Diesel-Fahrzeuge auch künftig in allen Innenstädten rollen könnten. Das sei eine gute Botschaft für die Betroffenen.
Dobrindt beklagte, derzeit konzentriere sich das Interesse in weiten Teilen der Öffentlichkeit noch zu stark auf das Thema Software-Updates für Diesel-Fahrzeuge der Schadstoffklassen Euro-5 und Euro-6. Dabei sei eines der ganz wichtigen Ergebnisse die Umstiegsprämie, die die Hersteller zahlen wollten, um alte Diesel durch schadstoffärmere Modelle zu ersetzen. "Das wird erst in den nächsten Tagen richtig wahrgenommen werden, wenn die Automobilunternehmen konkret ihre Angebote bekanntgeben." Daneben sei der geplante Mobilitätsfonds, mit dem die Luft in den Städten reingehalten werden soll, ein wichtiges Element. Alles zusammen werde die Schadstoffwerte in den Städten deutlich mindern. "Das ist in der Summe ein gutes Ergebnis".
Der Verbraucherschutzexperte der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hält im Gegensatz zum CSU-Politiker Dobrindt eine Folgeveranstaltung für den Diesel-Gipfel für nötig. Allein über Software-Lösungen lasse sich das Abgasproblem von Dieseln nicht lösen.
Justizminister: Fahrverbote nicht ausgeschlossen
Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) schließt auch nach den Vereinbarungen des Diesel-Gipfels Fahrverbote nicht aus. "Die gesetzlichen Vorgaben zur Luftreinhaltung gelten", sagte Maas der "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe). Für die Automobilindustrie bedeute das, sie sei mehr denn je in der Pflicht, Schadstoffe zu reduzieren und die Umwelt zu entlasten.
Dies müsse schnell, gesetzestreu, technisch sauber und transparent erfolgen. Der Diesel-Gipfel sei "ein erster Schritt in die richtige Richtung" gewesen, sagte Maas dem Blatt. Jetzt beginne für die Automobilindustrie die "Bewährungszeit". Weitere Maßnahmen müssten folgen.
Die deutschen Auto-Hersteller hatten bei dem Gipfel am Mittwoch zugesagt, insgesamt rund fünf Millionen Dieselautos mit einem Software-Update auszurüsten. Mit den kostenlosen Updates für Modelle mit den Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 soll der Schadstoffausstoß gesenkt werden. Nach den Forderungen von Bund und Ländern in Deutschland soll damit bis Ende 2018 eine Reduktion der Stickstoff-Emissionen um 30 Prozent erreicht werden.
Kritik an "Showveranstaltung"
Die scharfe Kritik von deutschen Verbraucherschützern und Umweltorganisationen an den Ergebnissen des Diesel-Gipfels von Politik und Autoindustrie reißt nicht ab. "Wir brauchen einen zweiten, einen echten Autogipfel", verlangte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller am Donnerstag.
Aus der Politik kam die Warnung an die Autobranche, die Beschlüsse des Gipfels seien ein "erster Schritt" gewesen - auch Nachrüstungen von Diesel-Fahrzeugen seien nicht vom Tisch.
"Die Einigung auf die Software-Nachbesserung und einen kleinen Fonds sind nicht die erforderlichen Schritte, um eine Verkehrswende einzuleiten", kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, in der "Rheinischen Post". Der Gipfel habe die Erwartungen nicht erfüllt, bilanzierte vzbv-Chef Müller. "Zurück bleiben ratlose Verbraucher. Sie stehen da ohne Garantie, dass der Stickoxidausstoß signifikant gesenkt und Fahrverbote vermieden werden."
Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, nannte das Treffen eine "reine Showveranstaltung". "Es geht nur darum, zu versuchen, sich über die Bundestagswahl am 24. September zu retten", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Im ZDF-"Morgenmagazin" kündigte Resch an, dass die Umwelthilfe ihre Klagen für bessere Luft in den Städten fortsetzen werde.
Greenpeace projizierte am Donnerstagmorgen nach eigenen Angaben unter Anspielung auf die Abkürzung für Stickoxide den Slogan "Aktenzeichen NOx ungelöst" zusammen mit einer Silhouette von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das Kanzleramt. "Der Gipfel hat kein einziges Problem gelöst", sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan.
ÖAMTC: Software-Update reicht nicht
Die beim Berliner Autogipfel vorgeschlagene Lösung eines Software-Updates der Euro-Klassen 5 und 6 zur Reduktion der NOx-Werte ist dem ÖAMTC zu wenig. "ÖAMTC-Tests im Rahmen der VW-Rückrufe zeigen, dass die versprochenen 25 Prozent Reduktion nur mit Software-Updates nicht zu schaffen sind", so Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung.
Er fordert daher zusätzliche Hardware-Nachbesserungen, wo das technisch machbar ist. "Mittels nachträglichem Filter-Einbau sind Stickstoffoxid-Reduktionen bis zu 90 Prozent möglich, das zeigen unsere Tests", kritisiert Wiesinger.
Vor einem Jahr hatte das der ÖAMTC nach Tests mit der TU Wien noch etwas anders gesehen. Damals hieß es, den Autofahrern sei kein Schaden entstanden weil durch die Updates aus dem VW-Konzern nun die Vorgaben erfüllt würden und es keine Nachteile bei Verbrauch und Leistung des Motors gebe.
Im Juni 2016 teilte der ÖAMTC in einer Presseaussendung mit: "Die neue Software funktioniert. Der NOx-Ausstoß, der Auslöser für den 'Abgasskandal' war, ändert sich durch das Update im für die Typengenehmigung maßgeblichen Prüfstands-Zyklus NEFZ nur geringfügig und liegt deutlich unter dem EU-Grenzwert."