EU-Kommissionsvize Pierre Moscovici hat anlässlich der länderspezifischen Empfehlungen der Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters am Montag festgestellt, dass es dem österreichischen Arbeitsmarkt "besser als in den meisten EU-Ländern geht". Allerdings müsse gerade bei Frauen am Arbeitsmarkt etwas getan werden, "hier gibt es immer noch viel Teilzeitarbeit".
Auch bei der Bezahlung herrsche eine Geschlechterkluft. "Das kann auf jeden Fall verbessert werden", so Moscovici. EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen urgierte von Österreich "mehr Kinderbetreuungsplätze". Bei unter 3-jährigen würde die Quote nur 25 Prozent betragen, "viel niedriger als das Barcelona-Ziel von 32 Prozent". Auch bei der Vollzeitkinderbetreuung "fehlt es noch". Deshalb habe man das in den länderspezifischen Empfehlungen wieder aufgegriffen.
Verschuldungsgrad sollte zurückgehen
Österreich erwartet, dass sich das Gesamtdefizit 2017 um ein Prozent erhöhen werde, um dann bis 2021 auf 0,3 Prozent zurückzugehen. Das geht aus dem Stabilitätsprogramm für 2017 der Regierung hervor, wie die EU-Kommission berichtete. Das mittelfristige Budgetziel - ein strukturelles Defizit von 0,45 Prozent des BIP bis 2016 und 0,5 Prozent des BIP danach - sei bis 2019 zu erwarten. Der Verschuldungsgrad solle von 84,6 Prozent 2016 bis 2021 auf 71,0 Prozent des BIP zurückgehen. Das makroökonomische Umfeld, das dieser Berechnung, zugrunde liege, sei günstig. So würden etwa Wachstum bei Investitionen und Exporten vorausgesagt.
Laut EU-Kommission beliefen sich die zusätzlichen Ausgaben für den außergewöhnlichen Flüchtlingszustrom 2016 auf 0,25 Prozent des BIP. Für zusätzliche sicherheitsrelevante Ausgaben seien 0,04 Prozent des BIP aufgewendet worden. Für 2017 würden sich die zusätzlichen Ausgaben für Sicherheit auf 0,01 Prozent des BIP belaufen.
Da es sich sowohl beim Flüchtlingszustrom als auch bei den Bedrohungen durch Terrorismus um außergewöhnliche Ereignisse handle, sei eine temporäre Abweichung vom Budgetpfad möglich. Daher seien die Anforderungen bezüglich der mittelfristigen Budgetziele für 2016 reduziert worden. Eine endgültige Beurteilung der anzurechnenden Beträge für 2017 werde es im Frühjahr 2018 geben, so die EU-Kommission.
Pensionssystem als Risiko
Ein mittel- bis langfristiges Risiko für die finanzielle Nachhaltigkeit stellten die Ausgaben für das Pensions- und das Gesundheitssystem dar. So seien die Pensionsausgaben im Vergleich zum Rest der EU relativ hoch. Bis 2060 sei ein Anstieg um 0,5 Prozent des BIP zu erwarten.
Auch würden die öffentlichen Ausgaben im Gesundheitssystem im Vergleich zu den anderen EU-Staaten schneller steigen. So sei "von einem ohnehin hohen Level" ein weiterer Anstieg der Kosten um 1,3 Prozent des BIP bis 2060 zu erwarten, der EU-Durchschnitt liege jedoch bei 0,9 Prozent. Dies liege unter anderem daran, dass der Anteil der Patienten, die in Krankenhäusern versorgt würden, statt in günstigeren Gesundheitszentren, überproportional hoch sei.
Begrenzte Möglichkeiten der Steuereinhebung und größere Verantwortung für Ausgaben sorgten für eine Schieflage zwischen regionalen und bundesstaatlichen Akteuren, kritisierte die EU-Kommission. Die Steuerquote sei durch die Steuerreform 2016 von 49,5 Prozent auf 46,7 Prozent gesunken, im Vergleich zum EU-Durchschnitt von 40,6 Prozent sei sie aber immer noch relativ hoch. Während EU-weit Einnahmen aus Vermögenssteuern rund 1,6 Prozent des BIP betragen würden, läge dieser Anteil nur bei 0,2 Prozent des BIP.
Außerdem gebe es in Österreich hohe regulatorische Hürden für Unternehmen, besonders für Architekten und Ingenieure seien die Zulassungsbedingen weit höher als im EU-Durchschnitt. Hier empfiehlt die EU-Kommission mehr Wettbewerb zuzulassen.