Von "Licht, Schatten und Nebelkerzen" war bei einer Diskussion in Wien die Rede. Das umstrittene Paket dürfte übrigens unter Österreichs EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr 2018 verabschiedet werden.

"70 Prozent Licht und 30 Prozent Schatten" sieht der oberste Lobbyist des deutschen Stromsektors, Stefan Kapferer vom BDEW, bei den Verordnungs- und Richtlinienvorschlägen der EU-Kommission von Ende November. Er fürchtet durch den Energieunion-Vorstoß Brüssels etwa eine Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die Ebene von Acer, der Plattform der europäischen Regulatoren. Dafür gebe es jedoch keinen Bedarf, "die Zusammenarbeit etwa zwischen Deutschland und seinen Nachbarn klappt heute auch in Notsituationen sehr gut", meinte der Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit Sitz in Berlin.

In Wien sieht man das im Wirtschaftsministerium ähnlich, wie einer der Spitzenbeamten der Energiesektion erklärte. Acer werde den Plänen zufolge zum Beispiel bei Preiszonen-Konfigurationen künftig eine große Rolle haben. Das seien zwar zunächst nur Entscheidungen in technischer Hinsicht, doch hätten sie letztlich "politische" Auswirkungen auf den europäischen Strommarkt. "Da steckt der Teufel im Detail. Das ist nicht so trivial", warnte Jochen Penker, innerhalb der Energiesektion zuständig für den Bereich Europäische und Internationale Energiepolitik.

"Nebel, Nebelkerzen, künstlicher Nebel"

"Wir machen Acer nicht zum europäischen Energieregulator - das ist der Nebel, Nebelkerzen, künstlicher Nebel", wies solche Vorwürfe Florian Ermacora von der Generaldirektion Energie der Brüsseler EU-Kommission zurück. Offenbar gebe es die Furcht, dass ein europäischer Regulator kommen solle, diese Kompetenzübertragung sehe er aber nicht, so Ermacora, Head of the Internal Energy Market in der GD Energie.

Zielsetzung des EU-Winterpakets sei "saubere Energie für alle", besser gesagt "Dekarbonisierung zum geringsten Preis", betonte Ermacora zu den zentralen Intentionen, nämlich den CO2-Ausstoß zu senken und den Anteil Erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz zu heben. "Als roten Faden sehen wir den Energiebinnenmarkt als das effizienteste Ziel, um das Dekarbonisierungsziel zu erreichen." Es gehe um ein neues Strommarktdesign, wobei auf europäischer Ebene ein grenzüberschreitender Markt am kosteneffizientesten sei. Die Subventionsmechanismen sollten stärker dem Wettbewerb unterworfen werden: Erste Ausschreibungen ohne Subventionen - Nullerauktionen bei Erneuerbaren in Deutschland - zeigten, dass ein solcher Wechsel möglich sei. Auch sollte es keinen übermäßigen Vorrang für Wind- oder Solarstrom geben, denn zur Versorgungssicherheit seien auch Kohle-, Gas- und sogar Nuklearkraftwerke notwendig.

Sinnhaftigkeit der Strompreiszone

Es gehe darum, ein Level Playing Field zwischen den Energieträgern herzustellen, "sonst betten die Konventionellen wegen der niedrigen Stromgroßhandelspreise". Es könnte letztlich aber auch in Richtung Kapazitätsmechanismen gegangen werden, falls nicht genug Strom da sein sollte, meinte Ermacora. Schließlich gehe es um die Verbraucher und die Standortpolitik, "Stichwort voestalpine etc." Von Überkapazitäten hält der Experte aber nicht viel. Ja, für Notsituationen benötige man schon Kraftwerksreserven, aber nicht für eine extreme Kälte, die "alle 20 Jahre" einmal auftrete wie heuer im Jänner, als etwa Österreichs Stromversorgung tagelang nur durch Importe aufrechterhalten werden konnte. Das sei "ineffizient", und die niedrigen Großhandelspreise zeigten, dass es genug Kapazitäten gebe.

BDEW-Vertreter Kapferer warf dazu der deutschen Bundesnetzagentur vor, sie ordne zu viele Kraftwerke bestimmten Kapazitätsreserven zu und mache damit "dort, wo es hohe Preisspitzen geben könnte, den Energy-Only-Markt kaputt".

Kapferer betonte die Sinnhaftigkeit der noch bestehenden gemeinsamen deutsch-österreichischen Strompreiszone. Die deutsche Regierung sehe das offenbar anders und sei in Sorge, dass Druck aus Brüssel kommen könnte, allenfalls auch innerhalb Deutschlands die Zone aufzuteilen, "was politisch aber nicht geht". Eine Teilung hält der BDEW-Mann für "falsch, wenn man einen Energiebinnenmarkt haben will". In Schweden habe man in einer vergleichbaren Situation gesehen, dass die Liquidität gesunken sei, "auch bei uns wird das so sein durch die Auftrennung der Zone".

3500 Seiten - Kritik am Umfang des Pakets

"Wir, die EU-Kommission, wollen Deutschland gar nicht teilen, sondern das Thema nur in einen Rechtskontext zu einer unabhängigen Institution heben", so Ermacora. Da man mit dem deutschen Netzausbau nicht vorankomme, müsste "Deutschland ehrlich sein und das Land in zwei Zonen aufteilen", so der Kommissionsvertreter. Und Penker von der Energiesektion in Wien meinte: "Wir sehen die EU-Kommission hier als Ultima-Ratio-Instanz zur Entscheidung."

Da dem Markt grenzüberschreitend nur 30 Prozent der Interkonnektoren zur Verfügung stünden - teils technisch bedingt, aber auch durch Systembetreiber-Entscheidungen (Fernleitungsnetzgesellschaften), sollte die Kompetenz nicht nur lokal oder national bleiben, sondern auf breitere Beine gestellt werden, so Ermacora zu den Energieunion-Ideen.

Änderungswünsche zum Paket, an dem Brüssel drei Jahre lang gebastelt hat, seien an die EU-Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament zu richten, nicht aber an die EU-Kommission, meinte Ermacora. Kritik am Umfang des Pakets - 3.500 Seiten - ließ der Jurist nicht gelten: "Wir sind gehalten, auf europäischer Ebene gut zu begründen, was wir machen", da seien fünf Seiten wohl zu wenig. Und die 3.500 Seiten müsse man ja nicht alle lesen. Der deutsche BDEW-Vertreter Kapferer meinte dagegen, es gebe schon eine zu hohe Regelungsdichte, "wir müssen das zurückfahren". Im deutschen Bundestag gebe es nur noch drei, vier, fünf Abgeordnete, die die Energiepolitik wirklich verstünden.

In zwei Teilen abarbeiten

Dass das EU-Winterpaket schon unter EU-Vorsitz Bulgariens im ersten Halbjahr 2018 angenommen wird, wurde bei der Diskussion auf Einladung der EnergieAllianz ausgeschlossen. Das Paket werde wohl getrennt in zwei Teilen abgearbeitet, meinte Penker aus der Energiesektion. Einerseits sollen die Themen Erneuerbare Energien und Governance-Verordnung (für eine bessere Koordinierung der nationalen Energiepolitiken) sowie zweitens das Thema Strommarkt behandelt werden. Schon heuer im Oktober und Ende November solle es dazu Abstimmungen geben und bis dahin auch eine Linie im Europaparlament. Danach sollen die Trilog-Gespräche zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission stattfinden.

Die EU-Kommission strebt bei diesem EU-Gesetzgebungsverfahren eine Einigung in erster Lesung bis Ende 2018 an, um das Paket jedenfalls vor der Europawahl im Mai 2019 abzuschließen, hatte es schon vor längerer Zeit geheißen.