Die im neuen Insolvenzrecht vorgesehene Verkürzung der Frist im Abschöpfungsverfahren von derzeit sieben auf drei Jahre und der geplante Entfall der Mindestquote werde nicht mehr Schuldner veranlassen, vor Gericht zu kommen, so Hans-Georg Kantner vom KSV1870.

Der Bundesregierung gehe es in dem im Regierungsprogramm angekündigten Punkt: "Modernes Insolvenzrecht - Kultur des Scheiterns" nur um den Privatkonkurs und nicht um Unternehmensinsolvenzen, kritisierte Kantner am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten. "Da kommt jetzt was unter einer falschen Flagge daher", sagte der Insolvenzexperte. Es gebe volkswirtschaftlich und gesellschaftlich gute Argumente, nicht alle, die zahlungsunfähig seien, gleich zu behandeln. Außerdem sollte man sinnvolle Verfahren nicht zerstören.

"Geht an der Realität vorbei"

Die Forderung der Abschaffung der Mindestquote bei der Schuldentilgung sei ein Anliegen des Sozialministers. Die Argumentation, "Immer mehr Menschen können sich einen Privatkonkurs nicht mehr leisten", gehe aber an der Realität vorbei: "Ein Konkurs ist nichts, was man sich leisten können muss, sondern eine gesetzliche Verpflichtung, zu der man sich anstrengen muss", so Kantner. Die Bundesregierung sei gar nicht so wirtschaftsfreundlich, wie es die Unternehmen brauchen würden. Kantner spricht sich für eine bevorzugte Schuldenregulierung für Unternehmen aus.

Verteuerte Kredite

Im Rahmen des bisherigen Insolvenzrechtes fließen laut Kantner an die Banken jährlich 750 bis 780 Mio. Euro zurück. Ohne Mindestquote würde es aber kaum Zahlungspläne, kaum Quoten und damit auch kaum Rückflüsse mehr geben. Dies hätte zur Folge, dass sich die Kredite um etwa einen Viertel Prozentpunkt verteuern würden. Durch die Umwälzung der Kosten auf andere wäre auch die soziale Kohäsion gefährdet. "Der Schlüssel zum Erfolg ist die Mindestquote", meinte der Insolvenzexperte.

Kantner hält auch den Umsetzungszeitplan für die Reform für unrealistisch - geplant ist die Befassung des Ministerrates noch im März und der Start am 1. Juli 2017. Die erste Sitzung der "Insolvenzrechtsreformkommission" werde bereits übermorgen stattfinden.

Kantner geht nicht davon aus, dass sich durch den Wegfall der Mindestquote viel mehr der 110.000 bis 150.000 Österreicher, die zahlungsunfähig sind und einer Schuldenregulierung bedurften, entschulden werden. Das zeige ein Vergleich mit Deutschland, wo es bereits keine Mindestquote mehr gebe.

Zum Punkt "Kultur des Scheiterns" merkte Kantner an, dass in Österreich noch immer die Meinung vorherrsche, dass, wer sich vor dem Scheitern fürchte, nichts gründen solle. Unternehmer würden aber beim zweiten Mal erfolgreicher sein, das Unternehmen schneller wachsen und mehr und schneller Arbeitsplätze geschaffen werden.

"Mut machen"

Kantner fordert deshalb eine "Entstigmatisierung" des Konkurses. Neben Förderungen bedürfe es eine Imageänderung in der Bevölkerung, von der aber im Regierungsprogramm nicht die Rede sei. "Man muss Gründern allen Mut machen, um alles zu probieren". Je mehr Gründungen es gebe, desto mehr Erfolge werde es geben, umso mehr werden aber auch scheitern. Je weniger Angst es vor dem Scheitern gebe, desto früher werde ein Unternehmer auch vor den Konkursrichter gehen und desto höher werde dann die Quote für die Gläubiger ausfallen.

Nichts abgewinnen kann Kantner auch den von der EU-Kommission geplanten neuen Insolvenzregeln. "Wir brauchen das gar nicht, wir haben funktionierende Insolvenz- und Sanierungsverfahren", so Kantner.