Hans-Werner Sinn, früherer Chef des Münchner ifo-Instituts, wirft den Staaten der Eurozone massive Verstöße gegen die eigenen Haushaltsregeln vor. Sie hätten zahlreiche Male die Defizitvorgaben nicht eingehalten, kritisierte der Ökonom in einem Gastbeitrag für die "Wirtschaftswoche". "Seit Abschluss des Stabilitäts- und Wachstumspaktes 1996 wurde die Drei-Prozent-Grenze 165 Mal überschritten."
Keine Strafen
In 112 Fällen hätte die EU-Kommission eine Strafe verhängen müssen. "Geschehen ist dies nicht ein einziges Mal", monierte Sinn. Frankreich habe elf Mal ein Haushaltsdefizit ausgewiesen, das oberhalb der erlaubten drei Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen habe. Das Land sei damit Spitzenreiter unter den Schuldensündern - und zwar noch vor Griechenland.
Der langjährige Chef des Münchner Instituts kritisierte die Politik der Franzosen. "Das Land pfeift auf die Konsolidierungsmahnungen seiner deutsche Freunde und denkt nicht daran, die getroffenen Abkommen einzuhalten." Der deutschen Regierung stellte Sinn ebenfalls ein schlechtes Zeugnis aus. "Sie druckst herum und duckt sich weg, um die deutsch-französische Achse nicht zu gefährden."
"Schuldenquoten sogar erhöht"
Seit Einrichtung des Euro-Rettungsschirms ESM 2012 habe sich kaum ein Euro-Staat an seine Versprechen zur Haushaltssanierung gehalten, erklärte Sinn. "Stattdessen haben fast alle Euro-Länder ihre Schuldenquoten sogar erhöht." Manche Länder haben dies mit verschiedenen Ausnahmesituationen begründet, von der Finanz- und Bankenkrise über Terrorgefahren bis hin zur Flüchtlingskrise.