Im deutschen VW-Stammwerk in Wolfsburg hat am Donnerstag die mit Spannung erwartete außerplanmäßige Betriebsversammlung begonnen. Das berichteten Teilnehmer der nicht öffentlichen Veranstaltung am Vormittag. Zunächst redete VW-Arbeitnehmerboss Bernd Osterloh. Der Volkswagen-Betriebsrat will die Mitarbeiter über die Fortschritte beim sogenannten "Zukunftspakt" informieren.
Mit ihm sollen Reformen in der gewinnschwachen Kernmarke VW-Pkw mit langfristigen Sicherheiten für die Belegschaft vereint werden. Nach Osterloh sollten auch Vertreter des Vorstandes reden, danach sollte eine Aussprache folgen.
Bei dem Pakt geht es etwa um Aufgaben der Fabriken, neue Produkte, Stückzahlen, Investitionen und die Belegschaftsstärke. Am Mittwoch hatten beide Seiten betont, einem raschen Abschluss nahe zu sein. Der Betriebsrat jedoch warnte auch: Der Pakt könne durchaus noch scheitern - besonders, falls VW für zentrale Zukunftsprodukte wie den Einstieg in die Batteriefertigung keine konkreten Zusagen mache.
Stammbelegschaft gesichert
VW-Markenchef Herbert Diess unterstrich vor der Betriebsversammlung, dass die Jobs der Stammbelegschaft sicher seien - im Gegenzug sei aber auch die Bereitschaft für Veränderung nötig. Etwa, indem sich Mitarbeiter für andere, neue Aufgaben weiterqualifizieren.
Ein Punkt der Pakt-Verhandlungen ist der Wandel zur Elektromobilität. Damit drohen klassische Aufgaben in der Produktion zu schwinden, etwa die Arbeit an Verbrennungsmotoren und herkömmlichen Getrieben. Auch der Trend zur vernetzten Mobilität mit digitalen Geschäftsmodellen verändert die bisherige Landschaft der Jobprofile im Autobau.
Diess strebt nach Informationen aus Verhandlungskreisen zusätzliche Einsparungen von 3,7 Mrd. Euro an. "Es gibt eine Zahl, die heißt 3,7 Mrd. Euro bis 2021", sagte eine mit den Beratungen vertraute Person am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Ein zweiter Insider bestätigte, bei den 3,7 Mrd. Euro handle es sich um neue Effizienzsteigerungen über das seit zwei Jahren laufende Programm "Future Tracks" hinaus. Dieses sah eine Senkung der jährlichen Kosten um 5 Mrd. Euro ab 2017 vor. Davon sei jedoch erst grob die Hälfte realisiert, erklärten beide Insider. Von den 3,7 Mrd. Euro sollten 3 Milliarden in Deutschland eingespart werden, der Rest bei den Standorten im Ausland.
40-Stunden-Woche
Diess hat für Tausende Fachkräfte des Autobauers eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit um 14 Prozent ins Spiel gebracht. Diess sprach bei der Betriebsversammlung im Wolfsburger Stammwerk am Donnerstag von einer 40-Stunden-Woche für die Mitarbeiter in der Technischen Entwicklung (TE). Bisher gilt für sie laut VW-Haustarif in aller Regel eine 35-Stunden-Woche.
Details zu der Diess-Aussage waren zunächst nicht zu erfahren - das Treffen in Wolfsburg war nicht öffentlich. Fraglich ist etwa, ob Diess die 40-Stunden-Woche als eine Forderung oder als eine Option nannte, ob er damit Lohnausgleich verknüpft sehen will oder nicht und an welchen Zeithorizont er denkt. Der VW-Haustarif läuft noch gut ein Jahr. Der VW-Betriebsrat hatte zuletzt mehrfach betont, bestehende Regelungen wie das Tarifwerk stünden nicht zur Debatte.
Nach dpa-Informationen will Diess seine Ansage nicht als Forderung verstanden wissen. Es gehe ihm um Lösungen für ein Nadelöhr. Die TE leidet seit Monaten unter den Arbeitsspitzen des Diesel-Rückrufes. Dafür müssen technische Lösungen für Hunderte Software-Updates gefunden werden. Das erhöht den Zeitdruck auf die alltägliche Arbeit an neuen Modellen und Antrieben. Diess' Thematisierung der 40 Stunden sei daher in erster Linie als eine Wertschätzung für die wichtige Arbeit in der TE zu verstehen, die als Gehirn des Autobauers gilt.
Laut Unternehmensdarstellung arbeiteten allein in der Wolfsburger TE zuletzt "über 9.300" Menschen. Das sei damit "einer der weltweit größten Entwicklungsstandorte der Automobilindustrie".
Laut "Bild.de" erntete Diess während seines Auftritts Buh-Rufe. Das Online-Portal berichtete ebenfalls von der Aussage 40-Stunden-Woche, nannte jedoch auch keine Details zum Thema. Nach dpa-Informationen ist für den Nachmittag eine Erklärung des Unternehmens geplant.