Seit Monaten verhandelt die OMV mit ihrem Mitgesellschafter Adnoc über eine Fusion der Chemie-Aktivitäten, ihrer Tochter Borealis mit Adnoc-Tochter Borouge. Zuletzt lief es bei der Borealis aber viel schlechter als in früheren Jahren. keine gute Voraussetzung für einen angemessenen Preis und eine Lösung auf Augenhöhe. Borealis-Chef Thomas Gangl wird in einem möglicherweise fusionierten Unternehmen Borealis-Borouge jedenfalls keine Rolle mehr spielen. Für eine Funktion dort hätte er sich in einem strengen Auswahlprozess neu bewerben müssen. Der Aufsichtsrat der Borealis und Gangl haben sich nun einvernehmlich auf die Beendigung des Mandats als Vorstandsvorsitzender geeinigt. Gangl (52) nimmt Mitte des Jahres den Hut. Es heißt, er habe bereits einen neuen Job.
„Thomas Gangl ist eine Vorstandspersönlichkeit mit einem breiten Erfahrungsschatz bei der OMV, zuletzt als CEO von Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangenen zwei Jahrzehnten für die OMV-Gruppe geleistet hat. Ich wünsche ihm alles Gute für seine zukünftigen Aufgaben“, so Daniela Vlad, OMV-Vorstandsmitglied und Borealis-Aufsichtsratsvorsitzende, in einer Aussendung.
Der gelernte Verfahrenstechniker war noch unter Ex-OMV-Chef Rainer Seele im April 2021 zum Borealis-Chef geworden, nämlich als der langjährige Borealis-Chef Alfred Stern in den OMV-Vorstand wechselte. Gangl hatte in der OMV die Nachhaltigkeitsagenden im Vorstand inne. Er leitete als Vorstand unter Seele die Aufstockung der OMV-Beteiligung an Borealis auf 75 Prozent. 25 Prozent hält der staatliche Ölkonzern aus Abu Dhabi, ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company). Gangl stieß in der OMV Investitionsentscheidungen für die Elektrolyse für grünen Wasserstoff und für die Anlage zur Produktion von grünen Biotreibstoffen in der Raffinerie Schwechat, sowie die Etablierung des chemischen Recyclingprozesses ReOil der OMV an.
Nachfolger gibt es noch keinen
Die Lage in der europäischen Chemieindustrie gilt derzeit als dramatisch schlecht. Viele Jahre war das Chemieunternehmen Borealis, das weltweit mehrere Forschungszentren betreibt – darunter an erster Stelle jenes in Linz – ein enormer Profit-Binger für die OMV. In den vergangenen Jahren häuften sich bei Borealis viele operative Probleme, zahlreiche Großprojekte verzögerten sich - auch mit deutlichen Mehrkosten. OMV-Chef Stern als intimer Kenner der Borealis dürfte die Probleme im Detail verfolgt und eingeordnet haben. In der Öffentlichkeit schlug etwa der Bau einer Propan-Dehydrierungsanlage im belgischen Kallo Wellen, weil eine Subfirma dort Arbeiter in Zwangsarbeiter-Verhältnissen beschäftigt haben soll. Im vergangenen Frühjahr in der Hauptversammlung war Gangl die Entlastung nicht erteilt worden, das erfolgte erst einige Wochen später.
Als Schatz des Chemie- und Kunststoff-Konzerns, der auch immer stärker auf das Recycling von Polyolefinen setzt, gelten vor allem die mehr als 8500 Patente in der Kunststoff-Herstellung. Dass Borealis mit seinen 6000 Beschäftigten in 120 Ländern derzeit nicht die lange gewohnten Erträge abwirft, wurde spätestens bei der Bilanzpressekonferenz der OMV Anfang Februar klar. Deren Chemiesparte warf viel weniger ab als früher. 2022 lieferte Borealis immerhin 2,1 Milliarden Euro Nettogewinn ab. Die Zahlen für das Jahr 2023 veröffentlicht Borealis erst Ende März, sie dürften aber nicht zuletzt von der massiven Krise in der europäischen Chemieindustrie gekennzeichnet sein.
Die teilstaatliche OMV und ihr Miteigentümer Adnoc verhandeln seit vielen Monaten intensiv über das Zusammenspannen von Borealis und Borouge. Ursprünglich hätte der Deal noch 2023 unter Dach und Fach kommen sollen. Ex-OMV-Chef Rainer Seele soll Adnoc bei dem Deal beraten.