Es ist eine schmale Aussendung, die der Baukonzern Strabag nach einer erfolgten Aufsichtsratssitzung am Dienstagnachmittag verschickt hat: Der Inhalt hat es in sich, denn Alfred Gusenbauer, langjähriger Vorsitzender des Aufsichtsrats der Strabag, „legte am Ende der heutigen Aufsichtsratssitzung sein Mandat mit Ablauf des 31.12.2023 aus persönlichen Gründen vorzeitig zurück“, heißt es darin. Vor diesem Hintergrund sei Kerstin Gelbmann, langjähriges Aufsichtsratsmitglied, mit Wirkung zum 1. 1. 2024 zur neuen Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt worden.
Der Mitteilung der Strabag ist indes auch eine „persönliche Erklärung“ Gusenbauers angefügt (im Wortlaut siehe unten). Darin stellt er selbst den Konnex zur „Causa prima“ her: Aufgrund der öffentlichen Debatte rund um die Signa, Gusenbauer ist Aufsichtsratschef in wichtigen Gesellschaften, lege er sein Mandat bei der Strabag zurück. Er wolle vermeiden, „dass irgendein Reputationsschatten auf die Strabag fällt, die im Übrigen keine besonderen Geschäftsbeziehungen mit der Signa unterhält“. Geschäftsbeziehungen – und zwar als prominenter Investor – unterhält indes Hans-Peter Haselsteiner über die Familienstiftung.
Umstrittenes Engagement
Das Engagement von Gusenbauer bei der Signa des Tiroler Investors René Benko war zuletzt mehr als umstritten, erst recht als das Magazin „News“ berichtete, dass der Ex-SPÖ-Chef für die Jahre 2020 bis 2022 Beraterhonorare in Höhe von gut sieben Millionen Euro in Rechnung gestellt habe. Für Florian Beckermann, Vorstand des Interessenverbands für Anleger (IVA), nimmt Gusenbauer mit seinem Schritt Druck von der Strabag im Kontext mit der Signa – denn beim Reich von Benko sein man erst am Anfang der Aufklärung.
Gusenbauers Nachfolgerin Gelbmann habe jedenfalls Aufsichtsratserfahrung und sei der Gruppe rund um Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner – der auch an der Signa beteiligt ist – und dem Sanierer Erhard Grossnigg zuzurechnen. Letzterer ist seit Kurzem Sprecher des Vorstandes in den beiden aktuell nicht insolventen Benko-Immobiliengesellschaften Signa Prime Selection und in Signa Development Selection.
Deripaska hat Strabag-Anteile übertragen
Heute war auch bekannt geworden, dass der umstrittene russische Strabag-Großaktionär Oleg Deripaska seinen 27,8-Prozent-Anteil an der Strabag an eine russische Aktiengesellschaft namens Iliadis JSC übertragen hat. Der Vorstand der Strabag sei heute darüber informiert worden, dass ein Kaufvertrag über sämtliche Anteile der von Deripaska kontrollierten MKAO „Rasperia Trading Limited“ (Rasperia) abgeschlossen worden sei, teilte der Konzern mit. Für Kleinanleger-Vertreter Beckermann sind hier noch einige Fragen offen, aber immerhin sei es das erste Mal, „dass wir einen aktiven Schritt von Deripaska sehen“, sagte er zur APA.
Gusenbauer war nicht einmal zwei Jahre Bundeskanzler, als er 2008 seinen Hut nahm. Innerparteilicher Druck zwang den Niederösterreicher, das Heft an Werner Faymann zu übergeben. Gusenbauer, Jahrgang 1960, startete in den 80er-Jahren eine klassische Parteikarriere. 1984 bis 1990 legte er als Vorsitzender der Sozialistischen Jugend die Basis für seine spätere Rolle und schuf sich das politische Standbein. Das berufliche Standbein bildete daneben die SP-dominierte Arbeiterkammer Niederösterreich, für die der Doktor der Politikwissenschaft lange Jahre tätig war.