1150 Grad. So heiß sind die Glühstäbe, die als Vormaterial auf der mächtigen Walzstraße des Werks in Judenburg gedreht und gewendet werden. Ein Job – heiß, anstrengend und gefährlich – , der jahrelang von Mitarbeitern gemacht wurde. 75.000 Tonnen Vormaterial verarbeitete man allein im vergangenen Jahr. Mittlerweile hat eine Hightech-Anlage diese Tätigkeit übernommen. „Ein Meilenstein für die Betriebssicherheit“, freut sich Thomas Krenn.
Der 40-Jährige leitet als Geschäftsführer die Stahl Judenburg GmbH. Der Industriebetrieb in der gleichnamigen Stadt im obersteirischen Murtal ist Teil der deutschen GMH-Gruppe (Georgsmarienhütte), zu der noch weitere 32 mittelständische Unternehmen in Deutschland, der Türkei, Australien, Brasilien, den USA und eben Österreich gehören.
Exportquote von mehr als 90 Prozent
In Judenburg werden Blankstähle und hartverchromte Kolbenstangen produziert, die – zu 73 Prozent – in der Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie gebraucht werden. Ein einträgliches Geschäft: Die derzeit 450 Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Umsatz von 108 Millionen Euro. Und das in einem angespannten globalen Geschäftsumfeld. Die Exportquote bei Stahl Judenburg liegt bei über 90 Prozent. Aber: „Die gesamte europäische Stahlindustrie läuft aktuell Gefahr, ins Hintertreffen gegenüber Fernost zu geraten“, warnt Krenn. Allein in den letzten drei Jahren haben sich die chinesischen Stahlexporte in die EU verdoppelt. Es ist ein ungleicher Konkurrenzkampf. Denn während Stahl hierzulande energieeffizient produziert und bearbeitet wird, erfolgt die Produktion in China unter deutlich schlechteren Arbeits- und Umweltstandards. Aber viel billiger.
Parallel baut sich im Westen eine andere Bedrohungskulisse auf: Importzölle in die USA. „Als exportorientiertes Unternehmen verfolgen wir das mit viel Aufmerksamkeit“, gibt Krenn zu. Bedenklich sind die Ankündigungen der Trump-Regierung auch deswegen, weil Europa mit eigenen Schutzzöllen reagieren könnte – und die US-Regierung ihre Schritte wiederum auf andere Produkte ausweiten würde. Eine teuflische Spirale käme in Gang.
Einblicke schon für Volksschulklassen
Als europäischer Stahlverarbeiter, sagt Krenn, sei es daher entscheidend, dass „wir uns mit erstklassiger Behandlung des Vormaterials und hochwertiger induktiver Wärmebehandlung das aktuelle Alleinstellungsmerkmal weiter absichern“. Dafür braucht es freilich gut ausgebildetes Fachpersonal, was im Oberen Murtal, das demografisch von Abwanderung und Überalterung geprägt ist, eine besondere Herausforderung ist. Unter den regionalen Unternehmen herrscht längst ein hartes Rennen um die besten Köpfe. „Wir lassen keine Gelegenheit aus, um auf unsere Region als attraktiven Raum für Arbeit und Leben hinzuweisen“, sagt Krenn.
Begonnen wird schon in den Volksschulklassen, denen Einblick in das Stahlwerk geboten wird, später gibt es Kooperationen mit der Montanuniversität Leoben und der Technischen Universität Graz. Ganz zufrieden ist Krenn diesbezüglich aber nicht und wird deutlich: „Wir würden uns ein stärkeres politisches Engagement – und vor allem Investitionen – wünschen, um peripher gelegene Lebensräume wieder attraktiver zu machen“, fordert er.
80 Prozent der Lehrlinge bleiben im Unternehmen
Der Stahl Judenburg selbst scheint dieses Vorhaben zu gelingen. Man gilt als attraktiver Arbeitgeber, fast 70 Mitarbeiter sind seit mehr als einem Vierteljahrhundert im Betrieb, dazu kommen aktuell 21 Lehrlinge. „Über 80 Prozent unserer Lehrlinge bleiben im Unternehmen“, ist Krenn stolz. Rund 40 von ihnen finden sich mittlerweile sogar in Führungspositionen. Die gesamte Belegschaft durfte sich im abgelaufenen Geschäftsjahr über eine zehnprozentige Gewinnbeteiligung freuen – pro Kopf 950 Euro. Daneben wird permanent in die Standortinfrastruktur investiert: Rund Hundert Millionen Euro waren es seit 1995, 30 Millionen davon allein in den vergangenen sechs Jahren. Auch heuer soll ein einstelliger Millionenbetrag vor allem in die Modernisierung von Anlagen und des Maschinenparks fließen. Klaus Höfler