© Sabine Hoffmann
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Aber vor allem bei Mama Diana war geschmackselastische Improvisationskunst und Frustrations-Duldsamkeit gefragt: Wenn es zum Beispiel galt, Zucker in seinen verschiedensten Formen zu ersetzen, und es auch beim x-ten Versuch mit dem selbst gemachten Gelatine-Ersatz noch nicht klappen wollte – bis sie letztendlich erfolgreich das Wissen der Dorfältesten anzapfen konnte. „Ich hätte so gerne ein Buch gehabt mit Tipps und Tricks aus früheren Zeiten, als man selbstverständlich auf Zutaten aus der Region angewiesen war“, sagt die 36-Jährige, die auch heute noch von Erdäpfelchips über Müsli bis hin zu Joghurts und sogar Lasagne-Käse („Unser wöchentlicher Milchbedarf hat sich von vier auf zwölf Liter erhöht“) den Großteil der Zutaten des Groß’schen Speiseplans selbst herstellt.

Der kurze Weg bleibt auch weiterhin das Ziel: Obwohl der Winter Einzug gehalten hat und das Projektjahr längst vorbei ist, macht die Familie weiter. Schließlich sind die Kühlfächer voll mit vorgekochtem Letscho, Beeren & Co. Was laut Diana und Christian Groß noch wichtiger sei: „Das Jahr hat uns die Augen geöffnet, welche Vielfalt es vor der Haustür gibt und wie einfach es eigentlich ist, sich regional zu ernähren, wenn man ein paar Dinge bedenkt.“

Lektion eins: Mit Verzicht hat das alles nichts zu tun. „Vielmehr mit Lebensbereicherung.“ Wenn sich etwa der Blick dafür schärft, dass der Kren auch vor der Haustür wachsen kann. Oder der Reis, den es jetzt bereits aus dem Vulkanland gibt. (Wenn also in China ein Sackl Reis umfällt, interessiert es die Familie Groß erst recht nicht mehr.)

Lektion zwei: Neues finden, statt Ersatz zu suchen. Lebkuchen-Nikolo statt weit gereister Schoko-Krampus. „Nach Anfangsschwierigkeiten glückte das Essperiment immer besser, weil wir aufgehört haben, Dinge, die in der Region nicht zu haben waren, durch Ähnliches ersetzen zu wollen“, erzählt Diana Groß. Vielmehr sind es für sie die Erfahrungen des letzten Jahres, die unersetzbar wurden.Zum Beispiel herauszufinden, was man mit all den Teilen, die kein Schnitzel sind, herstellen kann, wenn man eine geschlachtete halbe Sau kauft. Oder herauszufinden, dass man aus dem Garten samt Erdäpfelacker eine Ganzjahres-Speisekammer für Obst und Gemüse machen kann. Und schon werden im Hause Groß Pläne für eine eigene Selch und für bessere Lagerung übers ganze Jahr geschmiedet. Devise: Ein Königreich für einen Erdkeller!

„Und ganz nebenbei haben wir Supermarkteinkäufe auf null heruntergeschraubt, weil wir eigentlich alles beim Greißler, Fleischer, Bäcker und den Bauern in der Umgebung bekommen“, sagt Christian Groß, der sich positiv überrascht zeigt, wie nachhaltig „ansteckend“ so ein Essperiment sein kann. Nicht nur, dass viele Produzenten in der Region (siehe oben) ihren regionalen Senf in Form eigens kreierter regionaler Produkte dazugaben.

Auch die Kinder Mona und Theresa, die nach dem „Projekt Nudeln“ gleich das „Projekt Muffins“ in der Küche starten wollen, wurden unbewusst zu wahren „Essperten“ für regionale Ernährung. Wenn zum Beispiel in der Schule oder im Kindergarten mit Mamas Getreidequetsche regionales Müsli selbst „gebastelt“ wird. Sie fühlen sich also nicht als jene, die die Suppe des Essperiments auslöffeln müssen, sondern kochen eifrig ihr eigenes – natürlich regionales – Süppchen.