Dubai, genau acht Tage nach der COP 28. Die Millionenmetropole in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist wieder im Normalbetrieb: Das bedeutet auch jetzt am Nachmittag Verkehrsstaus auf der kilometerlangen sechsspurigen Hauptverkehrsader. Was sich hier vorwärts wälzt, ist PS-stark, breit und sehr, sehr teuer. Sobald sich eine Lücke auftut, jagen die Fahrer ihre meist nagelneuen Geschosse mit lautem Röhren los. Zehntausende PS pro Kilometer sind hier unterwegs. Und die sollen alle relativ rasch auf E-Antriebe umgelenkt werden? In dieser Stadt?

Die bei der Klimakonferenz beschlossene Abkehr von den Fossilen ist hier derzeit schwer vorstellbar. Dubai ist das wohl schillerndste und internationalste Emirat, sieben Öl-Staaten bilden die VAE, die Vereinigten Arabischen Emirate. Immerhin 72 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Dubais kommen schon aus nicht fossilen Quellen, Immobilien, Industrie, Handel, Luft- und Schifffahrt. „Das bedeutet aber umgekehrt, dass es noch immer eine riesige Abhängigkeit gibt“, sagt Österreichs Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher im Rahmen einer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate und den Oman. Er ist hier, weil die Region wächst und wächst – und dafür Unternehmen aus aller Welt anziehen will.

Zwei Dutzend Unternehmen im Schlepptau

Insgesamt sechs Minister hat Kocher getroffen, begleitet von fast zwei Dutzend Unternehmen. Kocher ist sich sicher, dass die VAE es mit ihren ambitionierten Nachhaltigkeitszielen ernst meinen: „Die wissen, dass sie sehr viel tun müssen.“ Das Interesse an modernen Lösungen aller Art sei enorm groß. Die geplante Verdoppelung der Wirtschaftsleistung binnen zehn Jahren, sie scheint trotz der Herausforderungen im fossilen Sektor keineswegs illusorisch. Zahlreiche bilaterale Abkommen etwa mit Indien oder China sollen als Turbo wirken.

„In den nächsten Jahren wächst die Wirtschaft hier um vier bis fünf Prozent im Jahr“, sagt Johannes Brunner, Handelsdelegierter in Dubai. Österreich profitiert davon, im ersten Halbjahr stiegen die Exporte um 26 Prozent auf knapp 300 Millionen Euro, dazu kommen noch fast 200 Millionen Dienstleistungsexporte, vor allem Ingenieursleistungen, sodass zum Jahresende gut 800 Millionen Euro zusammen kommen könnten. Der Gaza-Krieg dürfte die Geschäfte nicht oder kaum treffen.

Derzeit gilt noch das Gegenteil: Wenn woanders Krise ist, blühen am Golf die Geschäfte. Russen und Ukrainer sollen derzeit enorme Vermögen hierher transferieren und in Immobilien investieren. Aber die Region ist trotzdem gerade ein potenziell heißer Krisenherd: „Was nicht passieren darf, ist, dass der Golf von Aden durch die Angriffe der Huthi-Rebellen für die globale Schifffahrt nicht mehr benutzt werden kann“, so Kocher. „Diese Gefahrenquelle ist hier aber allen bewusst, alle sind sehr besonnen.“

Österreich unter den Top-Ten-Investoren

Österreich hat enge Verbindungen zu den VAE. Abu Dhabis fossiler Mega-Konzern Adnoc will gerade seine gigantischen globalen Expansionspläne auch mittels einer Hälfte-Übernahme der OMV-Tochter Borealis umsetzen. Der gemeinsame Petrochemie-Komplex Borouge spielt dabei eine zentrale Rolle, er hat auch den größten Anteil daran, dass Österreich zu den Top-Ten-Investoren in den VAE zählt. Fast 13 Milliarden Euro an Investitionen von Österreichern gab es im Vorjahr, ein neuer Rekordwert. Andritz, Strabag, Porr, Doka oder Voestalpine sind weitere klingende Namen der 150 bis 200 aktiven Österreich-Firmen in den VAE. 

Der Amstettner Schalungsspezialist Doka gehört in manchen Jahren mit dem leuchtenden Gelb der Schalungskonstruktionen sogar zu Dubais Stadtbild. Ohne die von Doka entwickelte Klettertechnik beim Bau von Wolkenkratzern hätte der Burj Khalifa – mit seinen 828 Metern ist der Tower das höchste Gebäude der Welt – wohl nicht errichtet werden können. Praktisch stündlich hofft die Doka auf den nächsten sensationellen Auftrag für das ebenfalls geplante zweithöchste Hochhaus der Welt mit bis zu 133 Stockwerken. Michael Arnold, Doka-Geschäftsführer für die Emirate und den Oman: „Dubai hat wirklich erreicht, was es erreichen wollte, und es geht noch weiter.“ Doka ist längst als Spezialist für komplexe Großprojekte etabliert, beschäftigt nur in Dubai gut 120 Mitarbeiter, macht 200 Millionen Euro Umsatz in der Region.

Omans Ziel: Größer Produzent von grünem Wasserstoff

Der Oman, zweites Ziel von Kochers Reise, unterscheidet sich elementar von Dubai. Hochhäuser sind gesetzlich verboten, die Hauptstadt Maskat ist nicht nur malerisch gelegen zwischen Meer und Bergen, ihre Architektur ist es auch: arabische Baukunst, auch die moderne. Oman sieht seine Chance im reichen geschichtlichen Erbe und putzt sich dabei grün heraus, in der Stadt und Umgebung mit Palmen und Blumen gesäumten Straßen.

Das Land im gehüteten Schatten der Emirate will aber in wenigen Jahren auch zum weltgrößten Produzenten von „grünem“ Wasserstoff aufsteigen. Bereits vor der Pandemie hat sich das Land die „Vision 2040“ verpasst. Ganze Industrien sollen sich hier ansiedeln, inklusive Bergbau. „Invest Oman“ ist dafür eine eigens gegründete Regierungsdivision mit „One-stop-shop“ für Ansiedlungen. Neben der COP 28 in Dubai gab es, von der Welt-Öffentlichkeit kaum bemerkt, in Maskat eine große Wasserstoffkonferenz. 2030 will Oman knapp ein Drittel des landeseigenen Energiebedarfs aus Erneuerbaren decken. Vor zwei Jahren wurde das nationale Wasserstoff-Bündnis „Hy-Fly“ beschlossen.

Transport über „Medium Ammoniak“

Wo Österreicher daran andocken könnten, sieht sich gerade Ex-Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber an. Er ist in der Mission von HyPA unterwegs, das Kürzel steht für Österreichs neue Wasserstoff-Plattform Hydrogen Partnership Austria, die Österreichs Wasserstoffstrategie voranbringen will. Anzengruber ist als ihr Beiratsvorsitzender ihr Kopf. Wenn Österreich einmal Wasserstoff aus dem Oman importieren wollte – Österreich wird nur knapp ein Drittel seines mittelfristigen Bedarfs selbst produzieren können –, dürfte das eher kein verflüssigter Wasserstoff sein, erklärt Anzengruber. „Technologisch macht der Transport aus dieser Region am ehesten über das Medium Ammoniak per Tanker Sinn.“ Tatsächlich läuft bereits die Projektierung für eine riesige kombinierte Wasserstoff-Ammoniak-Anlage mit 250 bzw. 500 Megawatt Leistung.

Omans Wirtschaft unabhängiger vom Öl zu machen, ist das Topziel des Sultanats. Nicht nur Achterbahnfahrten des Ölpreises bewirken heftige Auf- und Abwärtsbewegungen in der Wirtschaft. Auch Mengenkürzungen des Ölkartells OPEC treffen Oman meistens stark. So soll das BIP heuer nur um 1,2 Prozent wachsen. Österreichs Exporte legen trotzdem stark zu, um 80 Prozent auf fast 50 Millionen Euro per Ende September. Neben der Strabag soll auch der Anlagenspezialist für Mehlabfüllung Starlinger daran großen Anteil haben.