Die Energiebranche in der Bundesrepublik warnt im Zuge der deutschen Budgetkrise vor steigenden Strompreisen. Ohne einen Bundeszuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten würden die Endkundenpreise deutlich steigen, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.
„Dabei ist eine bezahlbare Stromversorgung gerade in Zeiten von Unsicherheiten von hoher - auch gesellschaftspolitischer - Bedeutung.“ Der BDEW appelliere, den Zuschuss nicht in Frage zu stellen, sondern bestehen zu lassen und die Finanzierung schnellstmöglich sicherzustellen.
Konkret geht es um einen für das kommende Jahr geplanten Bundeszuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro. Das Geld sollte aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen - als Folge des Budgeturteils des Bundesverfassungsgerichts muss die deutsche Regierung diesen Sondertopf allerdings zum Ende des Jahres auflösen. Das Geld für den Zuschuss müsste nun also aus dem Kernhaushalt kommen. Das aber dürfte schwierig werden. Die Regierung muss ein Loch von 17 Milliarden Euro stopfen.
Sorge vor einem „Dominoeffekt“
Aus dem WSF werden auch die staatlichen Energiepreisbremsen finanziert, die bereits Ende des Jahres und nicht wie eigentlich geplant Ende März auslaufen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Bundestag gesagt, inzwischen seien überall in Deutschland wieder Strom- und Gastarife verfügbar, die zwar deutlich höher lägen als vor der Krise - aber meist unterhalb der Obergrenzen der Preisbremsen und ebenfalls spürbar unterhalb der Preise im vergangenen Herbst und Winter. Sollten die Preise für Energie dennoch erneut unerwartet dramatisch steigen, sie die Bundesregierung jederzeit in der Lage, kurzfristig gegenzusteuern.
„Aufgrund der Auswirkungen der Energiekrise liegen die Strompreise noch immer deutlich höher als in der Vergangenheit“, sagte Andreae. „Deshalb war es absolut richtig vom Bundestag, die Übertragungsnetzentgelte zu deckeln und damit die Endkundenpreise zu dämpfen.“ Nach den extremen Energiepreisanstiegen im vergangenen Jahr sei es jetzt wichtig, den Kunden Konstanz und Zuverlässigkeit zu signalisieren.
„Sollte der Zuschuss wegfallen, würde dies zudem einen Dominoeffekt für die Unternehmen auf verschiedensten Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft auslösen: Wenn die Übertragungsnetzentgelte steigen, müssen auch die Verteilnetzbetreiber ihre Entgelte erhöhen“, so Andreae. „Die insgesamt gestiegenen Netzentgelte müssen wiederum die Energieversorger in ihre Preiskalkulation aufnehmen und bereits angekündigte Preise anpassen. Aufgrund der gesetzlichen Fristen wäre dies nicht mehr zum 1. Jänner 2024 möglich, würde aber schnellstmöglich nachgeholt werden müssen.“
Die Netzentgelte sind ein Bestandteil des Strompreises. Sollte der Bundeszuschuss zu den Entgelten für die Übertragungsnetze - den Stromautobahnen - wegfallen, rechnet das Vergleichsportal Verivox bei einer Familie mit einem Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden mit jährlichen Mehrkosten von rund 100 Euro.
„Bereits jetzt ein massiver Wettbewerbsnachteil“
Der Ökostromanbieter LichtBlick erwartet bei einem Wegfall des Bundeszuschusses für einen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden sogar eine Mehrbelastung von knapp 170 Euro. Die Stromkosten würden um brutto 4,15 Cent pro Kilowattstunde steigen. Die zugesagte und von den Stromnetzbetreibern bereits in ihre Netzentgelte einkalkulierte Subventionierung der Übertragungsnetzentgelte müsse beibehalten werden.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zeigte sich ebenfalls alarmiert. „Die Strompreise in Deutschland sind bereits ein massiver Wettbewerbsnachteil“, teilte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup am Freitag mit. „Wir kämpfen seit Monaten für Entlastungen.“ Es sei „vollkommen ignorant“, wenn die geplanten Bundeszuschüsse zur Stabilisierung der Netzentgelte gestrichen werden und eine Verdopplung dieser Kosten für alle Stromverbraucher drohe. Im Falle von Strompreiserhöhungen werde die Transformation zur Klimaneutralität weiter gefährdet.