Am heutigen Montag starten um 10 Uhr die Verhandlerinnen und Verhandler der privaten Sozialwirtschaft in eine außergewöhnliche KV-Woche. Denn nicht nur für die 130.000 Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich geht es um einen neuen Kollektivvertrag (KV). Am Dienstag folgt die Fortsetzung der besonders schwierigen KV-Verhandlungen für die 430.000 Handelsangestellten. Und am Donnerstag kommt es in der Metallindustrie zum Showdown: In der bereits achten KV-Runde nehmen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter einen neuen Anlauf auf eine Einigung. Die Vorzeichen sind zuletzt alles andere als gut gestanden. Am vergangenen Freitag hat ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian im Zuge einer Kundgebung bei einem Metaller-Streik davor gewarnt, dass es zu Streiks im Handel, der Metallindustrie und bei den Sozialberufen kommen könnte. Er appellierte an die Arbeitgeber, „Kollektivvertragseinigungen auf Basis der rollierenden Inflation zu finden“. Wo die Verhandlungen in den einzelnen Branchen stehen – ein Überblick.
Montag, Sozialwirtschaft
Hier wird für die 130.000 Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich verhandelt. Heute in der dritten Runde. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern ein Plus von 15 Prozent, mindestens aber um 400 Euro mehr Gehalt. Die Arbeitgeberseite hat zwar die – für diese Branche errechnete – rollierende Inflation von 8,7 Prozent außer Streit gestellt – sie bieten ein Plus von 8,8 Prozent. Den Gewerkschaften ist das deutlich zu wenig, sie haben bereits zur Betriebsrätekonferenz geladen und Maßnahmen beschlossen, sollte es heute zu keiner Einigung kommen. Es wird argumentiert, dass in der Sozialwirtschaft 22 Prozent weniger als im Schnitt aller Branchen bezahlt werde. Einfach nur die Inflation abzugelten, vermindere diese Kluft nicht, argumentierte Michaela Guglberger von der Gewerkschaft vida: „Wenn wir den drängenden Personalmangel reduzieren wollen, muss die Branche attraktiver werden.“ Die Vertreter der Arbeitgeber, der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) sehen das anders. Für SWÖ-Geschäftsführer Walter Marschitz ist das vorliegende Angebot im Branchenvergleich bereits „deutlich besser“ als jenes von anderen Arbeitgeberverbänden. Er fordert Augenmaß und betont: „Wir sind punktuell gesprächsbereit, auch bei anderen Themen zu verhandeln, allerdings muss alles in einem realistischen Rahmen bleiben.“ Über das vorliegende Angebot hinaus sehe er jedenfalls „wenig Spielraum“.
Dienstag, Handel
Um Gehalts- bzw. Lohnerhöhungen geht es am Dienstag auch für die über 430.000 Angestellten im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel. Bisher sind hier drei Verhandlungsrunden ohne Ergebnis geblieben. Die Arbeitgeber boten unabhängig von der Gehaltsstufe ab 2024 ein Plus von fünf Prozent an und zusätzlich eine Einmalzahlung von 800 Euro. Die Gewerkschaft GPA machte daraufhin ein Gegenangebot mit einer sozialen Staffelung: eine Gehaltserhöhung von 9,5 Prozent sowie einen Fixbetrag von 40 Euro, so die Forderung. Man liegt also weit auseinander, was die Sozialpartner auch mit aller Vehemenz zum Ausdruck bringen. So beklagte Arbeitgebervertreter und Handelsobmann Rainer Trefelik, „dass die Gewerkschaft heute absolut nicht bereit war, ernsthaft über unser Angebot zu diskutieren“. Die Gegenforderung würde „in der wichtigsten Gehaltsgruppe einer Steigerung um bis zu 11,55 Prozent“ entsprechen, so Trefelik. Sein Zwischenfazit: „Auf dieser Basis können keine Verhandlungen in einem konstruktiven, sozialpartnerschaftlichen Stil stattfinden.“ Mehr als dieses Angebot sei „nicht drinnen“.
Die Chefverhandlerin der GPA, Helga Fichtinger, bezeichnete das Angebot der Arbeitgeber wiederum „als nicht seriös und irreführend“. Sie kritisiert, dass „abermals Einmalzahlungen in eine prozentuelle Erhöhung“ einberechnet worden seien, obwohl diese „keine dauerhafte Wirkung haben“. Daher wurden zuletzt Betriebsversammlungen – auch öffentlich – wieder aufgenommen. „Wir bedauern es, dass die Arbeitgeber nicht auf unseren Vorschlag einer sozialen Staffelung mit einer stärkeren Anhebung der unteren Gehälter oder einer Kombination von Freizeittagen und Geld eingegangen sind“, so Fichtinger im Anschluss an die dritte Runde.
Donnerstag, Metallindustrie
Sieben Runden ohne Einigung – und das fast zwei Monate nach der Forderungsübergabe Ende September. Das gab‘s in dieser Form noch nie. Bei den Metallern wurden heuer besonders harte Verhandlungen erwartet, eine Prognose, die in jeder Hinsicht eingetreten ist. Am Donnerstag folgt nun die bereits achte KV-Verhandlungsrunde, auch atmosphärisch ist die Stimmung unter den Sozialpartnern zuletzt noch tiefer in den Keller gefallen. Die Gewerkschaft hat bereits ein breites Repertoire an Protest- und Kampfmaßnahmen „ausgespielt“: Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, Warnstreiks – und auch Streiks. Seit vergangenen Dienstag kommt es in der Branche täglich zu befristeten Arbeitsniederlegungen, die von achtstündigen Schichtausfällen bis zu 24-stündigen Streiks reichen. Sollte es am Donnerstag abermals zu keinem Abschluss kommen, dann könnten mehrtägige bzw. unbefristete Streiks die Folge sein.
Am Tisch liegt die Forderung der Arbeitnehmervertreter von PRO-GE und GPA von 10,6 Prozent mehr Brutto-Lohn und -Gehalt, gestartet wurde das KV-Feilschen mit der Forderung nach plus 11,6 Prozent. Die Arbeitgeber haben zuletzt nach eigenen Angaben im Schnitt 8,2 Prozent Lohnerhöhung geboten – und für die unteren Beschäftigungsgruppen bis zu zwölf Prozent. Allerdings teilweise mit Einmalzahlungen, die die Gewerkschaften bis dato ablehnen. Die Industrie wäre aber zu einer Nachbesserung bereit, wenn es dafür Abschläge im Rahmenrecht, also beispielsweise bei Überstunden, gibt.
Die Gewerkschaften lehnen das kategorisch ab und kritisieren zudem, dass das Arbeitgeber-Angebot nach wie vor bei einer nachhaltigen Erhöhung von im Schnitt sechs Prozent liegen würde.
„Wir werden unsere Position durch Streiks nicht ändern“, ließ zuletzt Christian Knill, Obmann des Fachverbands der Metalltechnischen Industrie (FMTI). Die Streiks und das Vorgehen der Gewerkschaft bezeichneten die Arbeitgebervertreter wiederholt als „grotesk“. Aus Sicht der Gewerkschaften sei wiederum die Vorgangsweise der Arbeitgeber ein „Angriff auf das bewährte Kollektivvertragssystem in Österreich, da die vergangene Inflation nicht mehr berücksichtigt werden soll“, wie die beiden Chefverhandler Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) kritisieren. Sie betonen: „Die Streikbereitschaft ist ungebrochen hoch.“
Jüngste KV-Abschlüsse
Eine KV-Einigung gab es in Vorwoche indes bei den Beamten, sie erhalten im Schnitt um 9,15 Prozent mehr. Vor Beginn der KV-Runde für die Metallindustrie, die traditionell die Herbstlohnrunde einläutet, gab es eine Einigung auf die Pensionserhöhung 2024, diese liegt bei 9,7 Prozent. Einen KV-Abschluss gab es zuletzt auch bei den Privatforsten. Auch beim Bäcker-KV gab‘s eine Einigung: Die Beschäftigten erhalten um 8,8 Prozent mehr Lohn und Gehalt. KV-Mindestlöhne steigen um 9,71 Prozent, die Lehrlingseinkommen und die Zulagen erhöhen sich ebenso um 9,71 Prozent.