"Wir arbeiten in Europa an der reguliertesten Künstlichen Intelligenz (KI) der Welt", andere arbeiten an der besten KI, sagte der Journalist, Blogger und Buchautor Sascha Lobo anlässlich der Konferenz "addSuccess" des Kärntner IT-Dienstleisters addIT in Klagenfurt. "Die größte Gefahr ist, dass KI kaputtreguliert wird." Zu viele Menschen in Europa glaubten, Datenschutz sei ein Produkt, "das man weltweit exportieren kann". Ein Irrglaube. Die Alternativen dazu zeigte Lobo in seinem Vortrag auf - ein Panoptikum über ausgewählte KI-Aktivitäten hinweg.
"Menschensprache wird zur Maschinensprache"
Einer der größten Vorzüge sei, dass durch generative KI "Menschensprache zur Maschinensprache" werde. Viel mehr Menschen als bisher könnten nun programmieren. So ermögliche die Kommunikation mit einem Fertigungsarm via ChatGPT, dass man mit diesem "sprechen" könne. Überhaupt sei ChatGPT, das am 30. November 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, "der iPhone-Moment der künstlichen Intelligenz", sagt Lobo. Und er geizt nicht mit Beispielen, was die KI alles kann: Etwa in einem Schwimmbad Bewegungen jedes Schwimmers im Wasser beobachten und erkennen, wo sich ein Notfall abzeichnet - die Warnmeldung aufs Smartphone des Bademeisters folgt.
Virtualisierung von Medikamenten
Ein gigantischer Einsatzbereich sei die sogenannte "Virtualisierung von Medikamenten", so Lobo. So könne der Datenstrom durch zuverlässige Temperaturmessungen die Babypille ersetzen. Google habe das längst erkannt und investierte 700 Millionen Dollar in die Heilung von Krankheiten ohne Medikamente. Doch nicht Technologien würden die Welt verändern, betont er, sondern die Veränderung der Verhaltensweisen durch und mit der Technologie.
Kraft der Vernetzung durch Datenströme
"Die Kraft der Vernetzung, die digitale Transformation geschieht entlang von Datenströmen", betont Lobo. Datenströme seien in der Lage, potenziert durch die KI, "ganze Branchen auf den Kopf zu stellen", ist Lobo überzeugt. So arbeite Google an einer KI, die aufgrund eines Fotos Kalorien-, Nährstoff- und Schadstoffgehalt einer Mahlzeit errechnen können soll - "Weight Watchers hätte danach noch sechs Monate Zeit für diese Technologie", meint Lobo. Sonst werde es eng.
Außerhalb Europas begeistere bereits der "Microsoft Copilot". ChatGPT wurde in fast alle Microsoft Office-Produkte eingebaut und findet dadurch Eingang in den Alltag. Etwa, wenn man Microsoft Powerpoint mitteilen könne, welche Präsentation man sich wünscht - und sie wird erstellt.
Maschine empathischer Menschen
Für viele überraschend: Laut einer Studie fallen "Antworten von ChatGPT auf medizinische Anfragen im Durchschnitt deutlich besser aus als die von Ärzten", so Lobo. Nicht nur das: "ChatGPT war auch nochmals deutlich empathischer – die Maschine fühlt sich besser in Menschen ein als Menschen.“
Und noch ein Beispiel aus der Welt der Wirtschaft: Der US-Handelsgigant Walmart setzt KI-Bots zur Betreuung seiner 140.000 Lieferanten ein und erziele damit höhere Einsparungen als bei "normalen" Verhandlungen. "Wir erleben eine Skalierbarkeit und Effizienzradikalität, wie sie zuvor undenkbar waren."
Aber auch die negativen Seiten von KI klammerte Lobo nicht aus. Ausgeklügelte Phishing-Angriffe drohten, warnt Lobo. So generiere der KI-Chatbot "WormGPT" äußerst überzeugende Phishing-Mails. Mit der KI-Zukunft müsse man sich also auch "im Negativen" auseinandersetzen.
"Sehr viel besser als eine Maschine"
Die Warnungen einer Reihe von Firmenchefs aus dem Silicon Valley in einem Offenen Brief vor den Folgen künstlicher Intelligenz relativiert Lobo: "Was den Job der Auslöschung der Menschheit betrifft, ist der Mensch auf lange Sicht sehr viel besser als eine Maschine."
Die Wirkmacht von KI sei jedenfalls erst noch am Anfang, "wir können wie durch ein Schlüsselloch in die Zukunft schauen", meint Lobo. "Die Epoche der Künstlichen Intelligenz habe angefangen." Es gebe reichlich Aufholbedarf, zum Beispiel in Schulen: In China etwa wurde KI schon 2018 in 10.000 Schulklassen als Schulfach eingeführt, mittlerweile sei KI im Standard-Curriculum bis in die Grundschulen enthalten.
KI wird zum Familienmitglied
KI ist freilich auch hierzulande präsent: "Amazon Alexa wurde für Kinder zum Familienmitglied, die Technologiebeziehung ist selbstverständlich", sagt Lobo. Ziemlich extrem ist ein Beispiel, mit dem Lobo seinen Vortrag schloss: Über die App Replika könne man sich einen "AI-Companion" bauen - "also einen Freund, so wie man sich ihn wünscht". Schon mit bemerkenswerten Konsequenzen, die aus New York gemeldet werden: „Woman married the AI companion and calles it the perfect Husband“