Die vergangenen Tage glichen einer Art "Einstimmung" auf eine härtere Gangart im Ringen um einen neuen Kollektivvertrag für die rund 130.000 Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie. Seit Anfang der Vorwoche – in der zweiten Verhandlungsrunde – erstmals ein konkretes Angebot der Arbeitgeber auf den Tisch gelegt worden war, hat die Gewerkschaft auf Kampfmodus umgeschaltet. Die Diskrepanz, der Graben, zwischen Forderung (plus 11,6 Prozent mehr Lohn bzw. Gehalt) und Gegenofferte (plus 2,5 Prozent und Einmalzahlung von 1050 Euro) ist tief, wie kaum je zuvor, die ewig gültigen Rituale, deren Drehbuch lautstarke Drohgebärden und später eine schrittweise Annäherung an den Mittelwert vorsehen, könnten diesmal außer Kraft gesetzt werden.

Am Freitag wird die dritte Runde in diesem Kräftemessen eingeläutet. Gibt es keine Einigung, werden die Gewerkschaften Ton und Tempo weiter verschärfen, Betriebskonferenzen sind bereits terminisiert.

So argumentieren die Arbeitgebervertreter

Von "Sauerei" bis "Verhöhnung" und "Demütigung" war alles im Repertoire. Die Reaktionen auf das Arbeitgeberangebot des von Christian Knill angeführten Fachverbands der Metalltechnischen Industrie (FMTI) lässt die Wogen hochgehen. Doch wie argumentieren die Industrievertreter ihre Schmalspurofferte?
Tatsächlich steckt die Metallindustrie schon länger in einer Rezession, Neuaufträge sind rar geworden, die Produktivität war zuletzt rückläufig. Ein Grund, warum Knill von "einer neuen Realität" spricht, der vom Kampf um Aufträge und Arbeitsplätze geprägt sei.

Dass die Inflationsrate in Österreich im Schnitt deutlich höher ausfällt als in der Eurozone, ist für die 1200 Unternehmen der Metallindustrie besonders bitter. Denn 80 Prozent ihrer Produkte werden exportiert: Während die Nachfrage in der global schwachen Konjunkturkulisse sinkt, steigt der Preisdruck. Fallen die Lohnabschlüsse in Österreich deutlich höher aus als in Ländern mit konkurrierenden Anbietern, laste das massiv auf der Wettbewerbsfähigkeit. Zudem betont die Industrie, dass es nicht ihre Aufgabe sein könne, die überdurchschnittlich hohe Inflationsrate allein abzugelten. Daher will man auch staatliche Maßnahmen, die den Kaufkraftverlust dämpfen (wie das Aus der kalten Progression), mit einberechnen – und kommt so in Eigenkalkulation auf Nettokaufkraftsteigerungen von durchschnittlich 7 Prozent, die das Angebot beinhalte. Der FMTI verweist gerne darauf, dass 85 Prozent der Verbandsmitglieder mittelständische Familienbetriebe seien und man ohnehin zu den bestzahlenden Branchen gehöre.

So argumentieren die Arbeitnehmervertreter

Dass manche Beobachter in 11,6 Prozent Lohnplus eine "moderate Forderung" der Gewerkschaften PRO-GE und GPA erkennen wollen, liegt eher an überzogenen Erwartungshaltungen. "Moderat" sind zweistellige Prozentzahlen selbst in Anbetracht der höchsten Inflationsraten der letzten fünf Jahrzehnte gewiss nicht. Dennoch gehen Arbeitnehmervertreter mit einem gut geladenen Magazin an Argumenten in die dritte Verhandlungsrunde. Denn jüngste Konjunkturprognosen von Wifo und IHS – Stichwort milde Rezession – sahen nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmer als Bestätigung ihrer Positionen. Wie das Amen im Gebet rangiert die "Erhaltung der Kaufkraft" im Gewerkschaftskatechismus ganz oben. Hohe Kaufkraft bedeutet ebensolchen Inlandskonsum, der stützt die schwache Konjunktur. Stabile Kaufkraft setzt voraus, dass Löhne und Gehälter im Ausmaß der Inflationsrate steigen. Diese wird auf 9,6 Prozent taxiert.

Passend dazu erklärte Wifo-Experte Benjamin Bittschi, ein Abschluss deutlich unter der Inflationsrate würde auf die Konjunktur drücken. Man kann davon ausgehen, dass die Gewerkschaften dies noch genüsslich zitieren werden.

Argumentativer Dauerbrenner ist die Frage der Verteilungsgerechtigkeit, hohe Profite und Dividenden schüren Emotionen. Das Forderungsprogramm umfasst neben der Abgeltung der Inflation 2 Prozent als "Produktivitätszuwachs"; zudem fordern GPA und PRO-GE auch die leichtere Erreichung der sechsten Urlaubswoche. Es wird Abstriche geben, das ist fix – in welchem Ausmaß, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen zeigen.

Ökonom regt flexiblen Abschluss an

Der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, bringt in den laufenden Verhandlungen über den neuen Metaller-Kollektivvertrag unterdessen einen "möglichst flexiblen" Abschluss ins Spiel. Es gebe zwar Unternehmen, die sich einen Abschluss in der Höhe der Inflation von 9,6 Prozent leisten könnten, andere aber nicht. Er schlägt daher vor, dass diese "nach unten abweichen", um Beschäftigung zu sichern, so Bonin in der ORF-"Pressestunde". Er verwies auf sogenannte "Öffnungsklauseln", die es in anderen Ländern gebe für Unternehmen, die sich die Lohnerhöhung nicht leisten können. Seiner Vorstellung nach könnte sie etwa mit einem Antrag des betroffenen Betriebs bei den Sozialpartnern erfolgen.

Einen Abschluss, der "sehr weit unter der Inflationsrate liegt", könne er sich in der Praxis aber nur schwer vorstellen. Denn auch die Gewerkschaft habe Erwartungen zu bedienen. Zu Einmalzahlungen sagte der Ökonom, dass man im KV vereinbaren könnte, dass diese Zahlungen bei den Verhandlungen im Jahr darauf miteinbezogen werden. Darüber hinaus könnte auch eine Wahloption, die Lohnerhöhung in weniger Arbeitsstunden, also in mehr Freizeit umzuwandeln, für beide Seiten attraktiv sein – sie hätte zudem eine inflationsdämpfende Wirkung.