Holger Bonin, Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), vermisst hierzulande die Diskussion über eine Reform des Pensionssystems. Wie er am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" betonte, überrasche ihn, dass angesichts des Ausgabendrucks durch das "generöse Pensionssystem" relativ wenig darüber diskutiert werde. Geht es nach Bonin muss "perspektivisch" ein Antrittsalter von 67 Jahren in Betracht gezogen werden.
Erst am Freitag hatte der Rechnungshof einen umfassenden Bericht zur Lage des heimischen Pensionssystems veröffentlicht und dabei der Politik der vergangenen Jahrzehnte vorgeworfen, über keine Strategie zu verfügen. Dabei hat der RH dem System des heimischen Umlageverfahrens an sich ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Haben langfristigen Konsolidierungsbedarf
Wenn man langfristig denke, "dann haben wir einen Konsolidierungsbedarf im Bereich der Pensionsversicherung", argumentierte am Sonntag nun der IHS-Chef. Durch die demografische Entwicklung steige jener Teil, den der Staat zu den Pensionen zuschießen müsse. "Das wird nicht leichter zu finanzieren, wenn die Gesellschaft älter wird", gab Bonin zu bedenken: "Wir werden über eine Pensionsreform nachdenken müssen."
Die sukzessive Erhöhung des Frauenpensionsalters in Österreich auf 65 Jahre bis zum Jahr 2033 erfolgt für dessen Dafürhalten "relativ spät". Abgesehen davon stelle sich die Frage, wie man Menschen dazu bringen kann, überhaupt bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten. Auch darüber werde zu wenig diskutiert, findet der IHS-Chef.
Was das Budget für das kommende Jahr anbelangt bzw. die Details, die im Vorfeld der Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) kommenden Mittwoch bekannt geworden sind, meint Bonin, dass einige Dinge davon "investiven Charakter" haben. Etwa von der für die Wissenschaft angekündigten Mittelerhöhung erwartet er sich Investitionen in Schlüsseltechnologien, die langfristig Wachstumspotenzial hätten. Auch deuteten sich Förderungen für energetische Gebäudesanierung an. Dies sei "sinnvoll", schlage man damit doch "zwei Fliegen mit einer Klappe", erklärte der IHS-Chef. Zum einen stabilisiere man damit die Bauwirtschaft, andererseits leiste man damit einen Beitrag zur Dekarbonisierung.
Bonin für möglichst flexiblen KV-Abschluss
Was die laufenden Verhandlungen über einen neuen Metaller-Kollektivvertrag angeht, so bringt Bonin einen "möglichst flexiblen" Abschluss ins Spiel. Es gebe zwar Unternehmen, die sich einen Abschluss in der Höhe der Inflation von 9,6 Prozent leisten könnten, andere aber nicht. Er schlägt daher vor, dass diese "nach unten abweichen", um Beschäftigung zu sichern, wie er in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag sagte.
Bonin verwies auf sogenannte Öffnungsklauseln, die es in anderen Ländern gebe für Unternehmen, die sich die Lohnerhöhung nicht leisten können. Seiner Vorstellung nach könnte sie etwa mit einem Antrag des betroffenen Unternehmens bei den Sozialpartnern erfolgen. Wie Bonin sagte, könne er sich aber nur "schwer praktisch vorstellen, dass der Abschluss sehr weit unter der Inflationsrate liegt". Denn auch die Gewerkschaft habe Erwartungen zu bedienen.