Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) planen Insidern zufolge im kommenden Frühjahr einen erneuten Vorstoß, um die Zinszahlungen an Geschäftsbanken zu senken. Ein Teil der Kosten, die mit der rund zehn Jahre währenden expansiven Geldpolitik verbunden seien, sollen so wieder eingefangen werden, sagten mehrere mit den Diskussionen vertraute Personen.
Im Blickpunkt steht dabei die Mindestreserve, die Geschäftsbanken auf einem Konto bei ihrer nationalen Euro-Notenbank halten müssen. Aktuell liegt diese bei einem Prozent der Kundeneinlagen einer Bank. Die EZB hatte ihre Verzinsung bereits auf null Prozent gesenkt. Doch manche Währungshüter plädieren für eine Anhebung der Mindestreserve-Anforderungen.
Überschussliquidität im Bankensystem
Höhere Mindestreserve-Anforderungen würden bedeuten, dass sich die Gesamtzinszahlungen der Währungshüter an Banken weiter verringern würden und die Überschussliquidität im Finanzsystem, die derzeit bei rund 3,6 Billionen Euro liegt, etwas zurückgeführt würde. Doch die EZB hatte den Insidern zufolge einen entsprechenden Vorschlag im Juli abgelehnt – teilweise aufgrund des Widerstands ihres Direktoriums. Doch der Kampf ist noch nicht vorbei. Befürworter wollen das Thema den Insidern zufolge nun im Frühjahr erneut vorbringen, wenn die EZB ihren allgemeinen Zinsrahmen überprüft.
"Spätestens bei der Überprüfung des Handlungsrahmens muss dieses Thema wieder auf den Tisch kommen", sagte eine der mit den Überlegungen vertrauten Personen. "Die Mindestreserve-Anforderung ist künstlich niedrig". Der deutsche Bundesbank-Präsident Joachim Nagel, sein österreichischer EZB-Ratskollege Robert Holzmann sowie der lettische Notenbank-Chef Martin Kazaks haben sich den Insidern zufolge für eine erneute Diskussion ausgesprochen. Die Meinung werde von mindestens einem halben Dutzend weiterer Mitglieder des 26-köpfigen EZB-Rates geteilt. Aber den Kreisen zufolge hat das die ablehnende Haltung der EZB-Direktorin und der für Marktoperationen zuständigen deutschen Direktorin Isabel Schnabel, nicht aufgeweicht. Etwaige neue Vorschläge hätten daher einen schweren Stand. Ein EZB-Sprecher wollte sich nicht dazu äußern.
Widerstand von Bankenbranche
Derweil trommelt die Bankenbranche bereits laut dafür, die Anforderungen nicht zu erhöhen. Bereits durch die Entscheidung, Mindestreserven nicht mehr zu verzinsen, würden europäische Banken in den nächsten zwölf Monaten Zinseinnahmen in Höhe von rund 6,6 Mrd. Euro verlieren, sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Christian Sewing, am Freitag auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Marrakesch. Eine Erhöhung der Mindestreserve würde die finanzielle Belastung für die Banken weiter verschärfen und ihre Kreditvergabemöglichkeiten einschränken, warnte er.
Beispiel Kroatien
Österreichs Notenbankchef Holzmann hatte sogar für eine Anhebung der Mindestreserve-Anforderung auf bis zu zehn Prozent plädiert. Doch die meisten Insider bezeichneten dies als zu hoch und nannten stattdessen Raten zwischen zwei und fünf Prozent. Sie wiesen zudem darauf hin, dass der kroatische Mindestreservesatz vor dem Euro-Beitritt am 1. Jänner bei neun Prozent gelegen und das Bankensystem des Landes gut funktioniert habe. Das Hauptargument des EZB-Direktoriums dagegen sei, dass die Überschussliquidität ungleichmäßig über die Eurozone verteilt sei und eine Erhöhung des Prozentsatzes kleinere Banken mit einem größeren Anteil an Einlagen übermäßig belasten würde.
"Der Nutzen ist verschwindend gering und ich bin noch nicht davon überzeugt, dass es eine geldpolitische Rechtfertigung gibt", sagte einer der Gegner. "Es ist nicht unsere Aufgabe, Sozialpolitik zu machen, also ist die Bestrafung von Banken kein legitimes Ziel." Notenbank-Direktorin Schnabel hatte unlängst davor gewarnt, solche Änderungen einzuführen, bevor geklärt sei, wie viel Überschussliquidität im Finanzsystem die EZB überhaupt beibehalten wolle.