In den USA erweist sich die hohe Inflation als zähes Übel, was der US-Notenbank noch keinen Grund zur Entwarnung gibt. Die Verbraucherpreise stiegen im September um 3,7 Prozent und damit im selben Tempo wie im August, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Befragte Experten hatten hingegen einen leichten Rückgang auf 3,6 Prozent erwartet.
Die Federal Reserve hat die Zinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent gehievt, um die hohe Inflation einzudämmen. Händler schätzen die Aussichten für eine weitere Erhöhung im laufenden Jahr nunmehr etwas höher ein, auch wenn sie als eher unwahrscheinlich gilt: An den Terminmärkten wurden die Chancen für eine Zinsanhebung im Dezember auf rund 40 Prozent taxiert. Vor den neuen Inflationsdaten waren es lediglich 28 Prozent.
Keine Entspannung in Sicht
"Aus Sicht der US-Notenbank sind die Zahlen vermutlich nicht besorgniserregend genug, um eine weitere Zinserhöhung auszulösen. Für eine klare Entspannung reichen sie aber auch nicht aus", so die Einschätzung der Commerzbank-Ökonomen Christoph Balz und Bernd Weidensteiner.
Besonderes Augenmerk legen die US-Währungshüter auch auf die sogenannte Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel ausgeklammert bleiben. Diese Rate sank im September weiter – und zwar von 4,3 auf 4,1 Prozent im August. "Die Kern-Inflationsrate macht auf ihrem Rückzugsweg weitere Fortschritte. Erst wenn sich die Frühjahrssonne wieder zeigt, dürfte die Zwei vor dem Komma wieder auftauchen", sagte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die US-Notenbank dürfte aus seiner Sicht geduldig bleiben und auf eine weitere Leitzinserhöhung verzichten.
Ökonomen bei Zinsprognosen uneins
Experte Dirk Chlench von der LBBW ist sich da nicht so sicher. Er verweist darauf, dass die Teuerungsrate ein wenig höher ausgefallen ist als allgemein erwartet. Die Daten würden zeigen, dass die Dienstleistungspreise und insbesondere die Wohnkosten im September stärker anzogen als in den Vormonaten. Daher ist es aus seiner Sicht "keine ausgemachte Sache", dass die Fed bereits am Ende ihrer Zinserhöhungsphase angekommen ist.
Angesichts unsicherer Wirtschaftsaussichten ist die Notenbank geldpolitisch auf ein vorsichtiges Vorgehen bedacht, wie aus den Protokollen der Zinssitzung vom September hervorgeht. Dabei tastete sie den Leitzins nicht an. Mehrere US-Währungshüter wiesen zuletzt darauf hin, dass mit den gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt geldpolitische Straffungsmaßnahmen nicht mehr so dringlich seien. Denn die Finanzmärkte bewegten sich bereits in die gewünschte Richtung.
Dämpfer für Börsianer
Die Inflationsdaten kamen bei den Anlegern an der Wall Street nicht gut an. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte kurz nach Handelsstart um 0,4 Prozent tiefer bei 33.680 Punkten. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,3 Prozent auf 4365 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq gab um 0,1 Prozent auf 13.649 Stellen nach. Laut Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners, unterstreichen die Inflationsdaten, dass die Zinsen in den USA noch für längere Zeit hoch bleiben dürften.