Ende Juni schien noch alles halbwegs im Grünen. Die beiden wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstitute Österreichs, Wifo und IHS, revidierten ihre Prognosen gegenüber dem Frühjahr kaum. Beide prognostizierten trotz aller Turbulenzen weiter eine wachsende heimische Wirtschaft. Eine Wachstumsrate für 2023 von 0,5 Prozent sah das IHS, ein Plus von 0,3 Prozent erwartete das Wifo.
Jetzt, drei Monate später, ist plötzlich alles anders. Die Institute veränderten ihre Prognosen um satte 0,9 (IHS) und 1,1 Prozentpunkte (Wifo). Beide gehen sie plötzlich von einer schrumpfenden Wirtschaft in Österreich aus. Von einer "milden Rezession" und einem Minus von 0,4 Prozent spricht das IHS heute, ein Minus von 0,8 Prozent erwartet das Wifo. Die Inflationsprognosen wiederum schrauben beide Institute nach oben.
Analyse
Das Wifo rechnet heuer mit 7,7 Prozent Inflation im Jahresschnitt, das IHS erwartet 7,8 Prozent. Als Gründe für die eingetrübte Lage werden starke Zinssteigerungen, gedämpfte Kaufkraft und hohe Energiepreise sowie eine schwache internationale Konjunktur angeführt.
Reaktionen
"Milde Rezession": Forscher beruhigen
Zugleich bemühen sich die Wirtschaftsforscher am Freitag, keine Panik aufkommen zu lassen. Das Wifo betont, Österreich sei am Weg in eine "milde Rezession" und rückt den Blick zugleich auf das kommende Jahr. 2024, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, sollen "kräftige Realeinkommenszuwächse und ein anziehender Welthandel für eine Konjunkturerholung sorgen". Felbermayr und Co. rechnen dann mit einem Wachstum der realen Wirtschaftsleistung Österreichs um 1,2 Prozent.
IHS-Chef Holger Bonin versucht ebenfalls, abzuwiegeln. "Auch wenn das Reizwort 'Rezession' im Raum steht, die positiven Aspekte der Prognose dürfen nicht übersehen werden", lässt Bonin wissen. Das IHS rechnet 2024 mit einem Wachstum von 0,9 Prozent. Holger Bonin: "Der Aufschwung ist verhalten, dennoch dürfte die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf am Ende des Jahres 2024 höher sein als vor der Coronakrise." Ein solcher Konjunkturverlauf gäbe "keinen Anlass, in einen Krisenmodus zu verfallen". Holger Bonin zusammenfassend: "Österreich hat das Schlimmste bereits hinter sich."
Problemfeld Bau
Ein besonderes Augenmerk legen Wifo und IHS zurzeit auch auf die Entwicklung im Baubereich. Vor allem im Hochbausegment zeichnet sich eine tiefe Krise ab. Gabriel Felbermayr: "Die konjunkturelle Lage vor allem in der Bauwirtschaft und die drohende Zielverfehlung bei den CO2-Emissionen sollte Anlass dazu geben, bei der energetischen Gebäudesanierung auf die Tube zu drücken." Der Wirtschaftsforscher plädiert dafür, steuerliche Anreize zu setzen oder Sanierungsvorhaben in der Bundesimmobiliengesellschaft vorzuziehen. Außerdem sollte der gemeinnützige Wohnungsbau gestützt werden. Felbermayr: "Das würde die Bauwirtschaft stabilisieren".