Die Turbulenzen um den hoch verschuldeten chinesischen Immokonzern Evergrande verschärfen sich. Evergrande-Vorstandschef Xu Jiayin steht unter Hausarrest, gegen weitere Topmanager wird ermittelt. Am Donnerstag wurde nun der Handel mit Aktien der Unternehmensgruppe an der Hongkonger Börse erneut gestoppt. Das, nachdem nach monatelanger Pause der Handel erst im August wieder aufgenommen worden war.
Neben den Papieren der Evergrande Group konnten auch keine Anteilscheine der Evergrande Property Services Group und der Evergrande-Gruppe für Elektrofahrzeuge gehandelt werden. Der staatliche Druck auf Evergrande wächst, die Sorge vor einem Zusammenbruch ist groß.
Vonseiten des Unternehmens, der Polizei und des Sicherheitsministeriums gibt es bisher noch keinen Kommentar. Insidern zufolge stellte Xu bereits vor einigen Tagen die Kommunikation mit Beschäftigten ein und ist auch nicht mehr erreichbar. Diese Berichte deuten darauf hin, dass er seinen Posten bald abgeben muss. Seine Nachfolge und die Rolle des Staates sind aber unklar.
Aktie gab um 80 Prozent nach
Der Immobilienkonzern gilt mit Verbindlichkeiten von umgerechnet rund 311 Milliarden Euro als das am höchsten verschuldete Unternehmen Chinas. Bereits im vergangenen Jahr war die Aktie der Gruppe über Monate vom Handel ausgesetzt. Seit Ende August konnte die Aktie wieder gehandelt werden, sie gab aber um 80 Prozent nach.
Evergrande versucht nun eine Umschuldung über den Tausch alter Schulden in neue Anleihen, um den Konzern zu retten. Diese Pläne sind aber aufgrund von Verhaftungen mehrerer Manager der Evergrande-Tochter Hengda gefährdet. Denn wegen der Ereignisse bei Hengda darf Evergrande vorerst keine neuen Schuldtitel ausgeben. Ein Scheitern der Umschuldung sei also "sehr wahrscheinlich", heißt es aus Insiderkreisen. Eine staatliche Rettungsaktion für Evergrande gilt als ausgeschlossen.
Dominoeffekt befürchtet
Allerdings ist auch eine Liquidation von Evergrande nicht ausgeschlossen. Eine größere Gruppe ausländischer Anleihegläubiger will sich einer entsprechenden Initiative anschließen, wenn bis zum 30. Oktober kein Restrukturierungsplan vorliegt. Dann soll vor einem Hongkonger Gericht ein Liquidationsantrag verhandelt werden. Sollte es zu einer Liquidation kommen, würden die Gläubiger ihr Geld weitgehend verlieren. Sie könnten versuchen, über Klagen gegen das Management einen Teil davon zurückzuholen. In den USA beantragte der Immobilienkonzern bereits Gläubigerschutz.
Das 1996 von Xu gegründete Unternehmen wuchs rasch aufgrund zahlreicher Immobilienkäufe auf Kredit und wurde der größte Immobilienkonzern Chinas. In Schieflage geriet das Unternehmen 2021, als die chinesische Regierung den schuldenfinanzierten Immobilienkauf einschränkte und das Unternehmen mehrere Dollar-Anleihen nicht mehr bedienen konnte.
Sozialer Frieden gefährdet
Ein kompletter Zusammenbruch könnte den sozialen Frieden gefährden, denn zahlreiche Eigentumswohnungen des Konzerns sind zwar verkauft, aber nicht fertiggestellt. Zudem könnte ein Zusammenbruch Evergrandes einen Dominoeffekt im kriselnden chinesischen Immobiliensektor auslösen. Auch Konkurrenten wie Country Garden mit Tausenden Bauprojekten in China gerieten in Schieflage. Die Immobilienbranche trug bisher rund ein Viertel zum jährlichen Wirtschaftswachstum des Landes bei. Probleme der Branche wirken sich damit auf die gesamte Volksrepublik aus.