Eigentlich wollte sie Friseurin werden. "Meine Mutter sagte aber 'Nein, das lernst du nicht!'", erzählt die Kitzbühelerin Josefine Erhardt. Die Lehre als Kauffrau in einem Sportgeschäft in ihrem Heimatort war also nicht ihre erste Wahl – aber eindeutig die richtige. Sonst wäre sie seit 20 Jahren wohl einfach Rentnerin. Erhardt sagt aber selbst mit 80 Jahren noch: "Ich bin zwar im Ruhestand, aber ich will nicht ruhen. Den Karriereschritt im Alter kann ich nur empfehlen – mir hat er Sinn und Wertschätzung gebracht." Beim "Stanglwirt" im Bauernladen zu arbeiten, sei ein lang gehegter Traum von ihr gewesen, den sie jetzt in ihrer Pension leben dürfe.
Davor war Erhardt viele Jahre im Ausland. Mit 24 Jahren ging sie mit einer Freundin nach München, um Arbeit zu suchen – und fand sie in einem großen Sportfachgeschäft. Als 1969 ihr Sohn zur Welt kam, reduzierte sie ein paar Jahre auf Teilzeit-Arbeit, blieb sonst aber bis zur Pension Vollzeit im Geschäft.
Dann kehrte Erhardt in die Heimat zurück, hatte dabei aber nie den Plan, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. "Immer, wenn ich beim Stanglwirt in Going vorbeikam, und das ist ja nicht weit von Kitzbühel entfernt, hat mich die Sehnsucht gepackt", erzählt die humorvolle, vitale Frau. Der Bauernladen im Traditionshaus hatte es ihr ganz besonders angetan.
Zuerst war keine Stelle frei
Erhardt griff also zum Telefon und rief beim Stanglwirt Balthasar Hauser an. Der hatte zwar nicht gleich eine Stelle frei, das Warten lohnte sich für Erhardt aber. "Als sich eine Lücke auftat, habe ich die Chance sofort ergriffen. Jetzt arbeite ich hier je nach Bedarf zwei Tage pro Woche", sagt sie nach mittlerweile "zehn glücklichen Jahren". An diesem Arbeitsplatz kann sie ihre Stärken leben, wie sie sagt – ohne hohem Stress ausgesetzt zu sein und sich intensiv mit der Digitalisierung auseinandersetzen zu müssen.
Der Plan für die Zukunft? "Solange ich gebraucht werde und körperlich fit bin, bleibe ich dabei. Ich muss nicht arbeiten, ich darf. Es macht Spaß", sagt Erhardt. "Nur Sport" ist für die alleinstehende Frau, die regelmäßig turnt und mit dem E-Bike unterwegs ist, jedenfalls "keine Lebenserfüllung". Und ja, auch das Finanzielle sei ein Anreiz, sich zur Pension etwas dazuverdienen zu können, sich mehr leisten zu können.
Mehrwert für beide Seiten
Für die Unternehmerfamilie Hauser, die den Stanglwirt mittlerweile in elfter Generation führt, und aktuell um die 340 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, ist es eine Win-win-Situation. "Wir sind ohnehin ein Familienbetrieb und ein Mehrgenerationenhaus", erzählt Elisabeth Hauser-Benz, die, wie auch ihre beiden Geschwister, im Betrieb mitarbeitet. "Es ist wichtig, dass es junge und ältere Mitarbeiter gibt, das schafft einen Mehrwert für beide Teile. Die Alten profitieren von den Inputs der Jungen, die Jungen von der Erfahrung der Alten."
Mehr als 2 Tage pro Woche sind gefragt
Viele langjährige Mitarbeiter des Stanglwirts, die jetzt und in der nächsten Zeit in Pension gehen, hätten Interesse, weiterzuarbeiten, und täten das dann auch. Auch der mittlerweile pensionierte Restaurantleiter ist nicht im "Ruhestand". Die meisten wollen, wie Hauser-Benz erzählt, sogar mehr als zwei Tage pro Woche arbeiten.
Ein Vorteil des Tourismus sei jedenfalls, wie die Junior-Chefin sagt, dass man flexibel arbeiten kann. "Wir haben außerdem zwei Drittel Stammgäste im Haus, da baut sich eine Bindung zwischen Mitarbeitern und Gästen auf. Beide freuen sich, wenn man sich wieder trifft." Dem kann Josefine Erhardt nur beipflichten.