Wenn es ab Montag bei den Lohnverhandlungen der Metaller hart zur Sache gehen wird, spielt auch die Entwicklung der Produktivität eine Rolle, also welche Wirtschaftsleistung durch welchen Mitteleinsatz zustande gekommen ist. Klingt sperrig. Bei einem Unternehmen bedeutet es, welches Ergebnis kann es mit seinen Mitarbeitern bei welchem Geldeinsatz erzielen. Wird es besser – durch neue Technologien, qualifiziertere Mitarbeiter, bessere Strategien – drückt sich das in höherer Produktivität aus. Im großen Maßstab werden Wirtschaftswachstum und geleistete Arbeitsstunden verknüpft.

Ab Montag dürfte der Produktivitätszuwachs Streitthema bei den schwierigen Verhandlungen werden. Einen Anteil an der größeren „Mittelausbeute“ wollen die Arbeitnehmervertreter wieder in den Taschen der Mitarbeiter sehen. Das ist der zweite wichtige Teil der seit Jahrzehnten angewandten Benya-Formel, an der sich die Lohnerhöhung orientiert – neben der Abgeltung der Inflation der vergangenen zwölf Monate.
Aber was taugen die jüngsten Zahlen zur Produktivität? Den Gewerkschaften werden sie willkommen sein, die Produktivitätssteigerung von 1,9 Prozent je geleisteter Arbeitsstunde war 2022 hoch. Zwischen 2019 und 2022 stieg sie um vier Prozent. „2022 und 2021 waren völlig atypisch“, so Ökonom Christoph Badelt, Vorsitzender des Produktivitätsrates. Die extremen Nachholeffekte der Pandemie verzerrten das Bild, der Produktivitätszuwachs sei „ein Thema einzelner Unternehmen oder Gruppen“ gewesen.

Schwache Produktivitätsentwicklung

Der Produktivitätsrat als parteipolitisch unabhängiges Gremium hatte schon im Juni in einem umfangreichen Bericht vor langfristig problematischen Entwicklungen gewarnt, verbunden mit Dutzenden Empfehlungen an die Politik. Kurz vor den Sommerferien ging der Bericht unter. Jetzt wurde er im Parlament behandelt, das nahm Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) zum Anlass, Badelt zum Online-Gespräch mit Journalisten einzuladen.

Seit der Finanzkrise 2008 habe sich die Produktivität in Österreich nur sehr schwach entwickelt. „Ein europäisches Phänomen“, so Badelt. Seine Schlussfolgerung hat es in sich: „In Kombination mit dem schwindenden Angebot an Arbeitskräften wird es immer schwieriger werden, überhaupt noch Wirtschaftswachstum zusammenzubringen.“ Schon durch die jüngsten Lohnsteigerungen seien die Arbeitskosten in Österreich höher als in Deutschland und im Euroraum. Die Lohnstückkosten stiegen zuletzt so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

"Tendenziell verlieren wir schon an Boden"

Michael Peneder, Wifo-Experte für Standortfragen und Wettbewerbsfähigkeit, sagt dazu klar: „Tendenziell verlieren wir schon an Boden.“ Die üblichen Vergleiche mit Deutschland seien trügerisch. Denn auch Deutschland hinke in der Produktivitätsentwicklung hinterher. Sinnvoller sei der Vergleich mit den Benelux- und skandinavischen Ländern, da sei Österreich deutlich schwächer.

In Deutschland ist die Sorge um den Industriestandort längst Inhalt hitziger Politschlachten. Sollte es dort zu einem extrem subventionierten Industriestrompreis kommen, brächte das Österreich in teuren Zugzwang, zumal Österreichs Industrie oft sehr energieintensiv ist – Badelt zufolge wird sie deshalb auch massiver von Klimawandelfolgen und Kosten betroffen sein.

"Sozialpartner kennen die Situation sehr gut"

Kocher hält eine Fachkräftestrategie und „klare Pläne“ für den Erneuerbaren-Ausbau für die zwei wichtigsten Faktoren für Österreichs Wirtschaft. Voranzutreiben seien die EU-Pläne zum Bürokratieabbau, um Unternehmen zu entlasten. Badelt macht sich in den nächsten Tagen beim Bildungsminister für ein langfristiges Bildungs-Paket vor allem für Migranten-Kinder stark, hier gehe Österreich viel Potenzial verloren.

Zu den Lohnverhandlungen sagt Badelt: „Die Sozialpartner kennen die Situation sehr gut.“ Natürlich wollten Unternehmen ihre Arbeitskräfte in einer schwachen wirtschaftlichen Phase halten. Leisten könne man sich das aber nur bis zu einem gewissen Lohnniveau. Zum Konflikt um kürzere Arbeitszeiten verweist Kocher auf den Spielraum der Sozialpartner: „Es braucht Lösungen auf Betriebsebene. Was keinen Sinn macht, ist, das per Gesetz zu regeln.“ Badelt: „Eigentlich ist es verwunderlich, dass die Sozialpartner nach dem Staat rufen.“

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