"Anhand der aktuellen Zahlen von einer Insolvenzwelle zu sprechen, wäre falsch", betont René Jonke, Leiter der Region Süd beim Gläubigerschutzverband KSV1870. Die Zahlen, die anhand einer Hochrechnung, für die ersten drei Quartalen veröffentlicht wurden, zeigen dennoch einen kräftigen Anstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist demnach um knapp 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das kräftige Plus, es ist nach Kärnten (plus 39,5 Prozent) das zweithöchste in Österreich, relativiert sich in einer langjährigen Betrachtung aber etwas. So liege "das aktuelle Ergebnis nur um 8,8 Prozent über jenem aus dem Vorkrisenjahr 2019", wie Jonke betont. "Bei dem Anstieg handelt es sich um die vom KSV1870 seit längerem prognostizierte Nivellierung, die uns wohl auch in nächster Zeit begleiten wird."

Die Zahl der - von den Insolvenzen - betroffenen Mitarbeiter kletterte laut KSV-Hochrechnung auf 1796 Personen (plus 30 Prozent), jene der betroffenen Gläubiger sei auf 4700 Geschädigte (plus zwei Prozent) angewachsen.

"Bauwirtschaft wird immer mehr zum Sorgenkind"

Die am stärksten von Insolvenzen betroffenen Wirtschaftssegmente seien wie bereits im Halbjahr auch jetzt die Branchen Handel (78 Fälle), Gastronomie/Beherbergung (73 Fälle) und die Bauwirtschaft (73 Fälle) – "sie alleine kommen auf 224 Fälle, was knapp die Hälfte aller steirischen Firmenpleiten ausmacht", so Jonke.

Zwar verzeichne unter diesen drei Branchen aktuell der Handel den größten Zuwachs, "doch ist es vor allem die Bauwirtschaft, die sich immer mehr zum Sorgenkind der heimischen Wirtschaft entwickelt". Denn im Vergleich zu 2019 "sprechen wir aktuell von rund 20 Prozent mehr Pleiten im Baugewerbe, Tendenz steigend". Die aktuelle Auftragslage lasse wenig Gutes für die Baubranche vermuten. "Unsere Expertinnen und Experten haben den Zeitraum zwischen August und September 2023 unter die Lupe genommen, und dabei festgestellt, dass die Auftragslage in der gesamten Baubranche zuletzt stark rückläufig ist."

Die Problematik beschränke sich also nicht auf das Baunebengewerbe, "es sind auch größere Betriebe bis hin zu Immobilien-Projektentwicklern betroffen", so Jonke. Die Auftragsbücher haben sich zuletzt sukzessive geleert - und auch der Ausblick biete nur wenige Lichtblicke. "Die Leitplanken für die Betriebe werden schmäler." Das sei auf mehrere Faktoren zurückzuführen: "Die gestiegenen Preise und Zinsen treffen Betriebe und Konsumentinnen und Konsumenten, die sich eintrübende Konjunktur sorgt zusätzlich für Verunsicherung, bei vielen Investitionen wird auch abgewartet, wie sich die Lage weiter entwickelt", so Jonke. Auch die seit dem Sommer 2022 geltenden verschärften Kreditvergaberegeln haben deutliche Bremsspuren hinterlassen. 

Bis Jahresende rund 600 Firmenpleiten erwartet

Auch aufgrund des großen Einflusses der Baubranche auf das gesamte heimische Insolvenzwesen gehe man beim KSV in der Steiermark "aus heutiger Sicht davon aus, dass Ende 2023 die Fallzahlen an Unternehmensinsolvenzen aus dem Jahr 2019 überschritten werden", prognostiziert Jonke. "Mit einer realistischen Prognose von rund 600 Firmenpleiten wären das in etwa 80 Insolvenzfälle mehr als im vergangenen Jahr. Das klingt im ersten Moment viel, ist aber de facto nichts anderes als das Erreichen eines durchschnittlichen Insolvenzjahres, plus einem moderaten Zuwachs, der den jüngsten Krisenjahren geschuldet ist." Trotz der Entwicklungen im Handel und im Baugewerbe sehe man "weiterhin keine Insolvenzwelle auf Österreich zukommen".