„Klimakleber“ weisen auf ein dringliches Anliegen hin. Autofahrer wollen zur Arbeit oder ins Konzert. Dürfen letztere zur Selbsthilfe greifen?
Christoph Bezemek, Dekan der juristischen Fakultät an der Uni Graz, antwortet: Nein. Selbstjustiz und Rechtsstaat sind keine guten Freunde. Der Staat ist Träger des Monopols legitimer Gewaltausübung. Jede Gewaltübung muss deshalb rechtlich grundgelegt sein; etwa im Strafgesetzbuch als Notwehr. Dort heißt es, man kann sich jener „Verteidigung bedienen, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf seine Freiheit“ zu unterbinden.

Nun, „Freiheit“ meint auch Bewegungsfreiheit. Freilich würden meine Kollegen aus dem Strafrecht einwerfen: Sich jemandem in den Weg zu setzen und zu legen, ist laut Rechtsprechung nicht als eine solche Freiheitsbeschränkung zu sehen und gilt nicht als Nötigung. So fehlt es schon dem Grunde nach an der rechtswidrigen Beeinträchtigung der Freiheit. Außerdem steht eine höchstgerichtliche Klärung der Frage aus, ob denn nicht die Protestierenden auf Basis der Versammlungsfreiheit, die laut Rechtsprechung auch unangekündigten „Spontanversammlungen“ umfasst, agieren. Teilt man diese Sichtweise (wofür einiges spricht), stützen sich solche Blockaden ihrerseits auf einen legitimen Grund. Dass derartige Versammlungen behördlich aufzulösen sind, wenn etwa das Leben und die Gesundheit Dritter gefährdet sind oder die Verkehrsbehinderung zum Problem wird, steht auf einem anderen Blatt.

Diese Rechtslage mag als unbefriedigend empfunden werden, wenn man im Stau steht. Nötig wäre ein gesamtgesellschaftlicher Aushandlungsprozess, der beide Positionen angemessen berücksichtigt.