Die Ankündigung der Finanzmarktaufsicht (FMA), die Vergaben der Banken von Krediten zu überprüfen, hat bei den Finanzinstituten – gelinde ausgedrückt – für Verwunderung gesorgt: "Populistische Wortspenden sind nicht hilfreich. Wir sind dabei, alle Zahlen, Daten, Fakten zu sammeln. Dann kann man gegebenenfalls die Regeln ändern oder nachschärfen", sagte Willibald Cernko, Erste-Bank-Chef und Bundesspartenobmann Banken und Versicherung in der Wirtschaftskammer (WKÖ), zur APA.

"Die FMA hat alle Möglichkeiten, die Kredite zu überprüfen. Banken haben die Verpflichtung, über die Chancen und Risiken zu informieren. Und die FMA könnte prüfen. Und wenn sich ein Institut nicht an die Spielregeln hält, kann sie eingreifen", versteht Cernko die erneut aufkeimende Diskussion rund um Hypothekarkredite und deren Beschränkungen (KIM-Verordnung) nicht. "Wenn eine Familie beschließt, nur einmal im Jahr Urlaub zu machen und dafür in eine Immobilie zu investieren, sollte sie die Wahl haben", ergänzte Cernko im Gespräch mit der APA.

Den Vergleich der Kreditvergabe hierzulande mit der Insolvenz von Lehman Brothers und deren Folgen, wie es FMA-Vorstand Helmut Ettl am Montag getan hat, hält Cernko hingegen für einen polemischen Beitrag. "Wir müssen wieder zu einem vernünftigen Gespräch zurückkehren", ist der Banker überzeugt.

Willibald Cernko
Willibald Cernko © (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)

"Elfenbeinturm verlassen"

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stellte sich in einer ersten Reaktion auf die Seite der Banken und Kreditnehmer. "Ich erwarte mir von den FMA-Vorständen, dass sie ihren Elfenbeinturm verlassen und ihre Regeln endlich an die Realität anpassen", betonte die Landeshauptfrau. "Wir wollen, dass sich Normalverdienerinnen und Normalverdiener weiterhin Wohnraum leisten können." Ein eigenes Dach sei schließlich die beste Altersvorsorge. Selbstverständlich sei es auch "gescheit", über die Ausdehnung der Rückzahlungszeiträume zu diskutieren, meinte die Landeshauptfrau. Für Menschen am Anfang des Berufslebens sei eine Spanne von 40 Jahren "problemlos machbar". Ein längerer Rückzahlungszeitraum würde die monatliche Belastung für Häuslbauerinnen und Häuslbauer "weiter spürbar verringern", so die Landeshauptfrau.

"Nachfrage seit Mitte 2022 massiv rückläufig"

Aber auch seitens der Wirtschaft wird der Ruf nach einer Lockerung der Verordnung laut: "Die KIM-Verordnung war dazu gedacht, eine befürchtete Überhitzung des Immobilienmarktes zu verhindern – davon kann jetzt keine Rede mehr sein: Die Nachfrage nach Immobilienkrediten ist seit Mitte 2022 massiv rückläufig und hat sich im ersten Halbjahr 2023 weiter abgeschwächt", sagte Robert Jägersberger, Obmann des Baumeisterverbandes. "Als Folge der kräftig gestiegenen und weiterhin hohen Zinsen wird sich dieser Trend fortsetzen, ohne dass es zusätzlich einer KIM-Verordnung bedarf", erklärte er in einer Aussendung.

Die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (Vöpe) teilte über ihren Präsidiumssprecher Andreas Köttl mit: "Es kann nicht sein, dass man sich Eigentum in Österreich nicht mehr leisten kann und die FMA als die für die KIM-Verordnung verantwortliche Behörde die Lage derart verkennt und so stur bleibt. Wir fordern daher zum wiederholten Mal eine radikale Entschärfung der aktuellen Regeln", so die Stellungnahme von Köttl.

"Häuslbauer im Stich gelassen"

Der Position der FMA kann hingegen die SPÖ etwas abgewinnen: "Die ÖVP will nichts gegen die hohen Zinsen tun, wie das die SPÖ fordert, sie lässt die Häuslbauer mit unbezahlbaren Krediten im Stich und verlangt jetzt, dass Banken Immobilienkredite vergeben sollen, die die Kreditnehmer wegen der hohen Zinsen nie zurückzahlen können – und zum Schluss holt sich die Bank das Haus", kritisierte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. "Das ist ÖVP in Reinkultur, die Menschen verlieren, die Bank gewinnt immer."

Die KIM-Verordnung mit den Regeln für die Vergabe von Wohnbaukrediten hat das Finanzmarktstabilitätsgremium beschlossen, also Finanzministerium, Nationalbank und FMA gemeinsam.