Skeptiker werden es in Zukunft wohl schwerer haben als noch vor einer Woche. Denn in Deutschland sorgen die Grünen für Schlagzeilen, weil sie ihr ewiges „Nein“ zur CO2-Speicherung über Bord werfen wollen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Unter bestimmten Umständen sollen Carbon Capture-Technologien zugelassen werden, das soll offenbar im EU-Wahlprogramm stehen.

Eine glatte und schnelle Wende soll es auch in Österreich geben. Zwölf Jahre nachdem Carbon Capture and Storage (CCS) per Verbot in die Versenkung geschickt wurde, bricht auch hier die Politik mit dem alten Tabu. Fast wie Phönix aus der Asche fliegen auf einmal die Kürzel CCS und CCU (Carbon Capture Utilisation) aus dem Koalitionshintergrund in die öffentliche Diskussion um Strategien, Österreichs CO2-Ausstoß drastisch zu senken.

ÖVP kocht das Thema auf

Während das Klimaschutzgesetz mit verpflichtenden Einsparzielen oder das Erneuerbaren-Wärmegesetz auf Eis liegen, kocht die ÖVP das Thema CCS jetzt voll auf. In gut einer Woche lässt sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Norwegen erklären, dass dort CCS zu einem Geschäftsmodell herangereift ist. Die Grünen stehen nicht generell auf der Bremse, sie wollen aber keinesfalls ein Hinauszögern der Gesetze.

„Natürlich kann CCS nur ein Teil der Lösungen sein,“ sagt Tobias Pröll, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, „aber wenn wir Industrien wie die Voestalpine im Land halten wollen, brauchen wir das,“ sagt Pröll. „Die Norweger arbeiten übrigens seit 25 Jahren an dem Thema.“ Europas größtes Öl- und Gasförderland schwimmt im Petro-Geld, das Totschlag-Argument, dass sich CCU nicht rechnet, zählt dort nicht. Dänemark, Schweden oder auch Kanada können inzwischen ebenfalls zwei Jahrzehnte Erfahrung vorweisen.

Relevant für Branchen Stahl, Papier, Chemie

„Auf diese Erfahrung kann man sich stützen,“ so Pröll. Absolutes Neuland betrete Österreich also nicht, wenngleich der Forscher glaubt, dass es hier weitere fünf bis zehn Jahre braucht, bis CO2 in ausgeförderte Öl- oder Gasfelder eingelagert wird. Pröll: „Es ist niemandem gedient, wenn es Komplikationen gibt.“ Österreich solle sich keinesfalls auf eigene CCS-Lager kaprizieren, sondern brauche Pipelines nach Norddeutschland, wo CO2 verschifft werden könnte.

Pröll forscht seit Jahrzehnten an CO2-Vermeidungsthemen, pocht deshalb darauf, dass viel massiver in erneuerbare Energien investiert wird. CCS rechne sich ab einem CO2-Preis von 120 bis 150 Euro – deshalb haben die Skandinavier höhere CO2-Preise. „Ohne CCS-Zugang hat Österreichs Industrie Nachteile,“ betont Pröll. Relevant sei das etwa für die Branchen Stahl, Papier, Chemie. Die Zementindustrie braucht Carbon Capture-Technologien, weil enorme CO2-Freisetzungen Teil des Kalkbrennprozesses sind.

Der renommierte steirische Umwelt-Ökonom Stefan Schleicher spannt einen viel größeren Bogen rund um Carbon Capture Storage. „Es ist langfristig nicht möglich, unseren Energiebedarf innerhalb Europas nur durch Erneuerbare abzudecken,“ erklärt er. Man brauche große Anlagen in Wüstengebieten. CO2 könnte eine Schlüsselrolle spielen, um etwa dort produzierten Wasserstoff in besser transportables Methan oder Methanol umzuwandeln.

Kritische Stimme: Was es zu beachten gilt

Damit solche Projekte nicht lokale Ressourcen beanspruchten, müssten Konzepte entwickelt werden, von denen die Länder viel hätten, also Meerwasserentsalzungen bauen oder aufbereitetes Abwasser aus Kanalisationen verwenden. CO2 in Kreisläufen zu führen, sei machbar. „Wenn Finanzminister Brunner jetzt von Carbon Management CM spricht, hätte ich das gern um zwei C’s ergänzt. Eins für Cross, sektorübergreifende Lösungen, das zweite C für Circular,“ sagt Schleicher. Politische und finanzielle Unterstützung gebe es bisher nur für CCS. Das müsse sich ändern.

Eine kritische Stimme aus dem Lager der Wissenschaft erhebt der langjährige, ehemalige Montanuni-Professor Herbert Hofstätter: „Es braucht extrem genaue Kenntnisse wie sich ein Öl- oder Gasfeld über die Jahrzehnte verhalten hat. Da muss man sehr genau hineinschauen. Restfeuchte in Verbindung mit CO2 kann als Kohlsäure kalkhaltige Anteile auflösen, also Instabilität erzeugen.“ Auch Korrosion der Rohre in den Bohrlöchern oder am Zement bilde ein Gefahrenpotenzial für Destabilisierungen. Er sagt: „Einfach ist das Thema nicht.“