Mit großer Spannung wird der heutige Leitzinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. Die EZB hat seit Sommer 2022 die Zinsen bereits neunmal in Folge angehoben, zuletzt im Juli um 0,25 Prozentpunkte. Erstmals seit 14 Monaten könnte die EZB eine Zinspause einlegen – als sicher gilt das allerdings keineswegs. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde ließ nach dem Zinsentscheid im Juli offen, ob die Währungshüter im September eine Pause einlegen. Nur eine Zinssenkung hatte sie ausgeschlossen.
Die Analyse zum Thema
Zinspause oder nächster Gang?
Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 3,75 Prozent. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, beträgt bereits 4,25 Prozent. Während am Finanzmarkt eher damit gerechnet wird, dass die EZB auf ihrer Sitzung nächste Woche eine Zinspause einlegen wird, erwarten Experten wie etwa Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, dass es sehr wohl eine weitere Zinsanhebung – es wäre die zehnte – geben wird.
Die Erhöhung der Zinsen ist die Antwort der EZB auf die hartnäckig hohe Inflation, denn höhere Zinsen verteuern Kredite, das soll die Nachfrage bremsen und der Teuerung entgegenwirken.
Rückenwind für die "Falken"
Jene, die für eine weitere Zinsanhebung plädieren, bekamen am Mittwoch Rückenwind. Denn die EZB sieht das Inflationsgespenst auch 2024 längst nicht als gebannt und könnte auf eine neuerliche Zinsanhebung zusteuern. Wie eine Person mit direkter Kenntnis der internen Diskussionen der Währungshüter der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte, werden die zum Zinsentscheid am Donnerstag vorliegenden aktualisierten Inflationsprojektionen für das kommende Jahr einen Wert von über 3 Prozent ausweisen.
Ziel von 2 Prozent wird deutlich verfehlt
Damit würde die Notenbank ihr Ziel von 2 Prozent – bei diesem Wert verorten die Währungshüter Preisstabilität – erneut recht deutlich verfehlen. Im Juni hatten die EZB-Fachleute nur einen Wert von 3 Prozent vorhergesagt. Der Insider, der anonym bleiben wollte, sagte am Dienstag zur Nachrichtenagentur, der Zinsentscheid am Donnerstag werde dennoch ein enges Rennen. Für die Sitzung seien noch keine formalen Vorschläge unterbreitet worden. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.
Einlagenzins auf 4 Prozent?
Sollte der am Finanzmarkt derzeit maßgebliche Leitzins, der sogenannte Einlagensatz, am Donnerstag erneut um einen viertel Prozentpunkt angehoben werden, würde er auf 4 Prozent steigen. Das wäre das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
Wasser auf die Mühlen der "Falken"
Eine Revision der von den EZB-Fachleuten erwarteten Inflationszahl nach oben für 2024 wäre wohl Wasser auf die Mühlen der "Falken", also der Befürworter einer weiteren Zinserhöhung. Denn die Zahl dürfte so interpretiert werden, dass sich der Preisdruck als zäher erweisen könnte, als die Währungshüter zunächst erwartet hatten. Am Geldmarkt wird es mittlerweile für eher wahrscheinlich gehalten, dass der EZB-Rat am Donnerstag eine weitere geldpolitische Straffung vornimmt, als dass er eine Pause einlegt.
Zinserhöhungsstakkato bremst die Konjunktur
Die Inflationsprognose der EZB für 2025 dürfte sich laut dem Insider nicht grundlegend ändern. Im Juni hatten die Fachleute der Zentralbank einen Wert von 2,2 Prozent veranschlagt, womit das Inflationsziel der EZB auch Mitte des Jahrzehnts noch nicht erreicht wäre.
Das Zinserhöhungsstakkato der EZB hat die Konjunktur inzwischen deutlich gebremst. Von Reuters befragte Ökonomen erwarten für die Eurozone ein Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr und 0,9 Prozent im Jahr 2024. Im Frühjahr war die Wirtschaft in der 20-Ländergemeinschaft nur minimal um 0,1 Prozent gewachsen.