Bisher ist unterirdische CO₂-Speicherung in Österreich tabu, sie ist schlicht verboten. Weil jetzt aber die EU massiv auf dieses Thema setzt und in vielen Ländern Unternehmen auch schon große Projekte vorantreiben, will Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) diese Zukunftstechnologie nicht an Österreich vorbeiziehen lassen, sie habe für den Industriestandort große Bedeutung.

Ab Mittwoch startet Brunner einen Dialogprozess mit dem Ziel, spätestens Mitte 2024 eine Strategie vorzulegen. Zuerst soll das Verbot fallen, "noch im Herbst", sagt Brunner am Dienstag im Gespräch mit Journalisten. Das muss im Parlament allerdings mit einer Zweidrittelmehrheit abgesegnet werden. Danach geht es um ein Gesetz, mit dem auch eine europäische Richtlinie umgesetzt wird. 

Reizthema für die Grünen

Brunner bringt damit ein neues und höchst umstrittenes Thema in Stellung. Im Hintergrund wurde daran bereits länger gearbeitet. Beim grünen Koalitionspartner gelten die Carbon-Capture-Storage-Technologien, bei denen CO₂ unterirdisch verpresst und abgeschlossen wird, allerdings als schweres Reizthema. Die Grünen pochen umgekehrt schon sehr lange erfolglos auf das Klimaschutzgesetz. Beim Erneuerbaren-Wärme-Gesetz beißen sie bisher auch auf Granit.

Brunner sieht hier keinen Zusammenhang. Dass die ÖVP bei diesen Gesetzen auf der Bremse stehe, weist er sogar dezidiert zurück. Er betont aber, dass zentrales politisches Ziel die CO₂-Vermeidung sei, man sei in allem in Abstimmung mit dem Klimaschutzministerium, "aber es wird weiter CO₂ geben, deshalb brauchen wir die Strategie, um vorbereitet zu sein". Die Federführung hat er inne, weil der Bergbau zum Finanzressort gehört.

Österreichische Unternehmen haben großes Interesse, ihr über viele Jahre entwickeltes Know-how nicht nur international zu verkaufen, sondern auch in Österreich selbst zu reüssieren, darunter die OMV und die RAG. Die OMV verfolgt etwa ein großes Projekt in Norwegen. Umgekehrt haben andere große Industrien Bedarf, CO₂ zu speichern, dazu zählen die Voestalpine – trotz der Pläne, Wasserstoff in der Stahlerzeugung einzusetzen –, Zementhersteller wie Holcim (ehemals Lafarge) oder der Feuerfesthersteller Magnesita. Die Montanuni Leoben hat ebenfalls international beachtete Expertise. 

Fünf bis zehn Millionen Tonnen pro Jahr

Zum möglichen Speicherbedarf nennt Brunner bereits eine Zahl. Aktuell gehe man davon aus, dass fünf bis zehn Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr gespeichert werden müssen, die anders nicht wegzubringen seien. Das sind bis zu zehn Prozent der notwendigen Einsparungen, damit Österreich das Ziel, 2040 CO₂-neutral zu sein, erreicht. Das Know-how etwa bei der RAG und OMV ist so groß, dass die erste CO₂-Verpressung bereits in zwei, spätestens drei Jahren erfolgen könnte. Zuletzt machte die RAG im Frühjahr Schlagzeilen, weil sie erstmals ein kleines ausgefördertes Erdgasfeld zum Wasserstoffspeicher umfunktionierte.

Brunner sieht einen internationalen Technologie-Wettlauf um Carbon Capture Storage (CCS) und Carbon Capture Utilisation (CCU). Die österreichische Strategie nennt er Carbon Capture Management (CCM).  Persönlich machte sich der Minister bei einem Besuch in Island ein Bild davon, was technologisch möglich ist. Dort wird sogar CO₂ aus der Luft abgesaugt und in "Ziegeln" verpresst. Das Unternehmen Climeworks steht hinter dieser Technologie. In Dänemark gebe es einen eigenen CCS-Fonds, zudem arbeite man an einem CO₂-Transportgesetz. CO₂ kann nämlich grundsätzlich sehr einfach verflüssigt und in Schiffen oder Pipelines transportiert werden.

Auf der Seite der Sicherheitsbedenken führen internationale Wissenschaftler ins Feld, dass die CO₂-Einpressung den Grundwasserhaushalt aus dem Gleichgewicht bringen könnte, großflächige Versalzungen kostbarer Süßwasserressourcen seien eine mögliche Folge.