Martin Selmayr, Vertreter der EU-Kommission in Wien, hat mit seinem "Blutgeld"-Sager und seiner unverblümten Kritik an Österreichs Gasimporten aus Russland viel diplomatischen Staub aufgewirbelt. Dabei ging es aber vor allem um seine Wortwahl, weniger um den Inhalt seiner Kritik. Die Gaseinfuhren aus Russland seien "natürlich nach wie vor zu hoch", heißt es auch aus dem Energieministerium von Ministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Tatsächlich deckt Österreich nämlich noch immer einen Großteil seines Gasbedarfs mit Importen aus Russland. Sie machten im Juli zwei Drittel der österreichischen Gasimporte aus. "Das ist natürlich nach wie vor zu hoch und finanziert den russischen Angriffskrieg", heißt es dazu aus dem Energieministerium. Allerdings habe man die Abhängigkeit von russischem Gas bereits deutlich zurückgefahren.
Der Auslöser
Noch immer hohe Abhängigkeit
"Vor Beginn des russischen Krieges in der Ukraine betrug die Abhängigkeit von russischen Gasversorgern etwa 80 Prozent. Im Zuge der Energiekrise konnte Österreich durch umfassende Bemühungen der Regierung die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen bereits stark reduzieren. Von August 2022 bis Juli 2023 betrug der Anteil der russischen Pipelinelieferungen an den österreichischen Gasimporten im Schnitt 50 Prozent", so das Ministerium.
Der Anteil könne monatlich stark schwanken. Zuletzt, im Juli 2023, habe er 66 Prozent betragen. Der Ausstieg aus russischem Gas habe bei der Herstellung von Energiesicherheit in Österreich oberste Priorität und könnte bis 2027 geschafft werden, heißt es aus dem Energieministerium. Dazu soll auch die Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes (GWG) beitragen – mit Anreizen, nichtrussisches Gas einzuspeichern. Sie ist derzeit in parlamentarischer Behandlung. Erhebliche Zweifel an einem Ausstieg vor 2040 äußerte vertragsbedingt der ehemalige OMV-Manager Otto Musilek gegenüber der Kleinen Zeitung.
Hintergrund
Bei "Ukraine-Blockade" keine Preissprünge?
Auch E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch betonte in der ZiB 2 am Donnerstag, dass Österreich den Anteil von russischem Gas bereits von 80 auf etwa 55 Prozent reduziert habe. Falls die Ukraine ihre Ankündigung wahr macht, ab 2024 kein Gas über ihr Gebiet nach Österreich und Europa durchzulassen, erwartet Urbantschitsch zwar höhere Preise, aber keine "Preisspitzen" wie im vergangenen Jahr.