Die Produktionsgewerkschaft PRO-GE schlägt vor dem Start der Metaller-Lohnrunde ihre Pflöcke ein: Die prozentuelle Forderung nach einem Lohnplus ist sicher zweistellig und Arbeitszeitverkürzung ein Thema, so PRO-GE-Chef Reinhold Binder. Die von den Arbeitgebern angedachten Einmalzahlungen seien bestenfalls "Schnittlauch am Butterbrot", es gehe um eine nachhaltige Erhöhung, "und die kann niemals unter der rollierenden Inflation sein", betonte Binder heute gegenüber "Ö1".
Dass die Arbeitgeber gestern, Donnerstag, in einer Pressekonferenz "neue Lösungen" bei dem jährlichen Feilschen um den Kollektivvertrag (KV) eingefordert haben, sieht Binder distanziert. "Der Ruf kommt immer dann, wenn man den Arbeitnehmern etwas wegnehmen möchte", so der Spitzengewerkschafter. Es sei vieles denkbar, aber jedenfalls kein Abschluss unter der Teuerung der vergangenen zwölf Monate. "Was hier momentan passiert, ist eine Änderung des Blickwinkels, damit die Arbeitnehmer Geld verlieren, da werden wir nicht mitspielen", machte Binder klar. Er verwies auf die deutlich gestiegenen Lebenskosten und die aus seiner Sicht logische Konsequenz: "Zuerst sind die Preise gestiegen und jetzt müssen die Löhne rauf."
Die Metalltechnische Industrie habe die vergangenen zwei Jahre Rekordeinnahmen lukriert, der Export würde nach wie vor hervorragend laufen, nun seien die Arbeitnehmer am Zug, den von ihnen erarbeiteten Erfolg einzufahren, meinte Binder. Er führt heuer zum ersten Mal die mehr als 130.000 Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie in die Herbstlohnrunde. Insgesamt beschäftigt die Metallindustrie gut 200.000 Mitarbeiter, auf Wunsch der Arbeitgeber verhandeln aber die anderen Branchenbereiche in eigenen Runden. Allerdings waren die Abschlüsse in der Vergangenheit immer gleich hoch. Der Mindestlohn in der Metallindustrie liegt bei 2236 Euro brutto.
Die rollierende Inflation, also die Teuerungsrate der vergangenen zwölf Monate, beträgt heuer 9,6 Prozent. Aktuell liegt der Preisanstieg im Jahresvergleich bei sieben Prozent. Im Vorjahr wurde bei den Ist-Löhnen ein Plus von 7,44 Prozent vereinbart, wobei sich die Erhöhung aus einem Zuwachs von 5,4 Prozent und einer monatlichen Zahlung von 75 Euro zusammensetzte. Die rollierende Inflation betrug vor einem Jahr 6,4 Prozent.
Firmen beklagen sinkende Auftragseingänge
Christian Knill, Industrieller aus der Steiermark und Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI), hatte gestern vor Journalisten betont: "Wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften." Und er stellte klar: "Unsere Aufgabe ist nicht, die Kaufkraft in Österreich zu gewährleisten." Im Frühjahr beim Rück- und Ausblick für die Branche sahen die Zahlen des FMTI so aus: 2022 wurde ein preisbereinigtes Produktionswachstum von 3,7 Prozent erzielt und somit der Produktionswert auf 49,5 Milliarden Euro hochgeschraubt. Die Zahl der Beschäftigten stieg leicht auf 137.600 (2021: 136.400). Die Exportquote betrug 79,1 Prozent. Insgesamt sind die Exporte 2022 real um 5,6 Prozent gestiegen. Für heuer erwarten die Firmen eine Stagnation und geringere Margen, so Knill damals.
Die Mitglieder des FMTI prognostizierten in einer Umfrage zu Jahresbeginn, sie würden 2023 im Schnitt ein Wachstum von weniger als ein Prozent erwarten. Gestern rechnete Knill vor: Im ersten Halbjahr 2023 habe die Branche einen Produktionswert von 24,8 Milliarden Euro erreicht, was preisbereinigt einem Rückgang von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspreche. Die Auftragseingänge seien im gleichen Zeitraum um 18 Prozent eingebrochen. Für das Gesamtjahr werde ein Produktionsrückgang von rund 6 Prozent erwartet. Von den rund 1200 Unternehmen im Fachverband sind 85 Prozent Familienbetriebe.
Forderungsübergabe am 25. September
Nahezu zeitgleich mit dem FMTI wird auch für das Metaller-Gewerbe verhandelt, es folgt dann die größte KV-Runde, der Handel. Trotz des medialen Fokus auf die Metallindustrie finden laufend weitere KV-Verhandlungen statt. So hat die Mühlen- und Futtermittelindustrie kürzlich bei einem Lohn- und Gehaltsanstieg von 10,1 Prozent abgeschlossen.
Neben dem Plus am Konto geht es bei den – im Regelfall jährlichen – KV-Verhandlungen auch um Fragen des Rahmenrechts, also etwa eine sechste Urlaubswoche oder einen bezahlten Urlaubstag am 24. Dezember. Themen sind auch immer wieder die Übernahme von Ausbildungskosten für Lehrlinge oder für betriebliche Weiterbildung durch die Arbeitgeber. Am 25. September übergeben die Gewerkschaften PRO-GE und GPA ihre Forderungen an die Arbeitgeber, traditionell findet dies in der Wirtschaftskammer in Wien statt. Sämtliche Beobachter gehen heuer von besonders harten Verhandlungen aus, wobei die Metaller seit Jahrzehnten beweisen, dass sie viel Sitzfleisch haben.