"Der sprunghafte Anstieg der Nettozinserträge heimischer Banken seit der Zinswende der EZB hängt unter anderem mit dem hohen Anteil variabel verzinster Wohnbaukredite bei privaten Haushalten zusammen", lässt Stefan Schiman-Vukan, Autor des aktuellen Wifo-Konjunkturberichts wissen.

Laut dem Bericht sind die Sparzinssätze im Neugeschäft jedoch sogar etwas stärker gestiegen als die Kreditzinssätze. Dies gelte sowohl für private Haushalte als auch für Unternehmen und sowohl für den Euroraum insgesamt als auch für Österreich. Der Eindruck, dass Sparzinsen zu niedrig seien, habe sich durch den Fokus auf Zinsen für täglich fällige Einlagen ergeben, schreibt das Wifo. Hier sind die Zinsen, wie Wifo-Experte Stefan Schiman-Vukan erklärt, in der Tat nur geringfügig gestiegen, in Österreich für private Haushalte und Unternehmen um durchschnittlich je 0,6 Prozentpunkte, im Euroraum um 0,3 Prozentpunkte für private Haushalte und um 0,7 Prozentpunkte für Unternehmen.

Ein Missverständnis

Täglich fällige Einlagen seien aber mit unverzinstem Bargeld zu vergleichen und dienen nicht dem Vermögensaufbau. Bei Leitzinserhöhungen bleiben die Zinssätze für täglich fällige Einlagen daher niedriger als jene für gebundene Einlagen. Während es sich bei Bargeld und gebundenen Einlagen um verschiedene Wertaufbewahrungsformen handelt, erfüllt Geld auf dem Girokonto den gleichen Zweck wie Bargeld. Es ermöglicht Transaktionen per Kartenzahlung und lässt sich durch Behebung in Bargeld umwandeln. Dementsprechend dämpft die Nichtverzinsung von Bargeld die Verzinsung täglich fälliger Einlagen und hält sie vergleichsweise niedrig. 

Grundprinzip bei Sparzinsen

In Phasen steigender bzw. positiver Leitzinssätze entsteht, wie Schiman-Vukan sagt, eine Zinsdifferenz zwischen gebundenen und täglich fälligen Einlagen. "Die Menschen haben das nur nach der jahrelangen Nullzinspolitik vergessen. Aus diesem Grund habe ich mir diese Zahlen auch angesehen."

In Österreich betrage die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Zinssatz für Einlagen mit einer Bindung von bis zu einem Jahr und jenem für täglich fällige Einlagen privater Haushalte derzeit 2,2 Prozentpunkte (Euro-Raum 2,6 Prozentpunkte). Während und kurz nach der geldpolitischen Straffung zwischen November 2005 und Dezember 2008 war diese Differenz laut Wifo 13 Monate hindurch (Euro-Raum 19 Monate hindurch) noch höher und betrug bis zu 2,6 Prozentpunkte (Euroraum bis zu 3,4 Prozentpunkte).

Vertiefung der Rezession

Die Europäische Zentralbank habe die Leitzinssätze wegen der hohen Inflation mehrmals angehoben. Es gab aber zunehmende Kritik, dass die Banken diese Erhöhungen nicht ausreichend an ihre Einlagekunden weitergegeben haben, erinnert das Wifo und hält entgegen: "Leitzinserhöhungen wurden bislang auf marktwirtschaftlich nachvollziehbare Weise an Unternehmen und private Haushalte weitergegeben."

Entwicklung des Nettozinsertrags der Banken
Entwicklung des Nettozinsertrags der Banken © WIFO

In Ländern mit einem hohen Anteil variabel verzinster Kredite stiegen trotzdem die Nettozinserträge vieler Banken, so das Wifo. In Österreich betrug der Anstieg zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2023 rund ein Drittel, in Ländern mit sehr hohem Anteil variabler Zinsen bis zu drei Viertel. Frankreichs Banken, wo variabel verzinste Wohnbaukredite unüblich sind, schrumpften die Erträge hingegen.

Laut dem Wifo-Bericht trübt sich die Konjunktur weiter ein: Österreichs BIP schrumpfte im 2. Quartal 2023 um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die weitere Verschlechterung der unternehmerischen Konjunktureinschätzungen lasse keine baldige Trendwende erwarten.